Wort zum Sonntag
Das macht Papst Franziskus auch am Anfang klar: Einerseits wendet sich das Schreiben an Jugendliche und junge Erwachsene. Andererseits sind „das ganze Volk Gottes“, ausdrücklich auch die „Hirten“, angesprochen. Für diese fasst der Papst über weite Strecken die Beratungen der Jugendsynode aus deren Abschlussdokument zusammen: Er stellt die verschiedenen Situationen dar, in denen junge Menschen leben.
Daraus leitet Franziskus Leitlinien für die Jugendseelsorge ab. „Ich möchte unterstreichen, dass die jungen Menschen selbst die in der Jugendpastoral Tätigen sind – begleitet und angeleitet, doch frei, um voll Kreativität und Kühnheit immer neue Wege zu suchen“, betont der Papst die Einbeziehung der Jugend selbst. Bei den Methoden sei es unwichtig, ob sie „konservativ oder progressistisch“ seien; wichtig sei, alles aufzunehmen, was gute Ergebnisse gebracht hat.
Die Kirche brauche „eine volksnahe Jugendpastoral, welche allen und jedem die Türen öffnet und ihnen Raum gibt, mit ihren Zweifeln, Traumata, Problemen, mit ihrer Suche nach Identität, mit ihren Fehlern, Geschichten, Erfahrungen von Sünde und allen ihren Schwierigkeiten“.
Interessant ist natürlich, wenn man sich vorstellt, ein junger Mensch liest diesen Text. Da gibt es zum Beispiel einen Abschnitt über das soziale Engagement von Jugendlichen: „Ich verfolge die Nachrichten der Welt und sehe, dass viele Jugendliche in vielen Teilen der Welt auf die Straßen hinausgegangen sind, um ihrem Wunsch nach einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft Ausdruck zu verleihen.“ Franziskus bittet, nicht nur sporadische Aktionen zu setzen. Er will „politisch wirksame Nächstenliebe“. Der Bischof von Rom ruft zu einem reflektierten Umgang mit dem Internet und den neuen Medien auf. Auch die Migration ist ihm ein Anliegen: „Ich bitte vor allem die Jugendlichen, nicht auf diejenigen hereinzufallen, die versuchen, gegen junge Migranten zu hetzen, indem sie so beschrieben werden, als seien sie gefährlich und als hätten sie nicht die gleiche unveräußerliche Würde wie jeder Mensch.“
Der Papst kritisiert eine „Homogenisierung“ der jungen Menschen und versucht, sie direkt anzusprechen: „Liebe junge Menschen, verzichtet nicht auf das Beste an eurer Jugend, beobachtet das Leben nicht von einem Balkon aus. Verwechselt das Glück nicht mit einem Sofa und verbringt nicht euer ganzes Leben vor einem Bildschirm.“ Manche Sätze klingen aber wie aus dem 19. Jahrhundert: „Vom Herrn geliebte Jugendliche, wie viel seid ihr doch wert, wenn ihr durch das kostbare Blut Christi erlöst wurdet!“
Unter der Überschrift „Liebe und Familie“ wird Sexualität als Geschenk bezeichnet, aber nur „innerhalb der Berufung zur Ehe“. Wenn man bei dem Thema aus manchen Sätzen Johannes Paul II. heraushören kann („den anderen nicht gebrauchen“, „sich einer Person ganz schenken“), dann fragt man sich: Dieser idealisierte, unrealistische Zugang zu Sexualität hat schon bisher die meisten Jugendlichen und Erwachsenen kaltgelassen, warum sollte das jetzt anders sein?
Immerhin wird von Franziskus hier niemand verurteilt – das bleibt dem Thema Missbrauch in allen seinen Facetten vorbehalten. Wenn dort der Papst aber Jugendliche und junge Erwachsene auffordert, einem „gefährdeten“ Priester ins Gewissen zu reden, ist das problematisch: Das darf man nicht den Jugendlichen aufbürden. Dafür gibt es den kirchlichen Apparat und vor allem die Bischöfe.
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