Wort zum Sonntag
In Ihrer Zeit als Rektor hat sich die Lehrerausbildung massiv verändert: Pädagogische Hochschulen und Universitäten kooperieren, man schließt als Bachelor und Master ab, das Studium wurde umfangreicher. Wie bewerten Sie heute diese Veränderungen?
Franz Keplinger: Das war die umfangreichste Reform der Lehrerausbildung in den vergangenen 50 Jahren. Vieles ist gelungen: Mit dem Umstieg auf das Bachelor- und Mastersystem und die Erweiterung auf zehn Semester Studiendauer haben wir die Ausbildung wieder auf internationalen Standard gehoben. Da hatte Österreich Nachholbedarf. Großteils aufgegangen ist auch die Kooperation zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen: dort der wissenschaftlich-fachliche, hier der pädagogische-didaktische Schwerpunkt. Dass sich beide Institutionen heute auf Augenhöhe begegnen, war durchaus eine Herausforderung. Aber wenn es Einwände gegen eine zu wissenschaftliche Lehrerausbildung gibt, sage ich: Angehende Lehrer:innen müssen mit Wissenschaft umgehen können, auch um der in Österreich verbreiteten Wissenschaftsfeindlichkeit begegnen zu können.
Um Lehrer:in zu sein, muss man bereits in die Ausbildung eine gewisse Haltung mitbringen. Was würden Sie Interessierten raten?
Keplinger: Es gibt einen Ausschließungsgrund: Wer nicht mit Menschen und insbesondere Kindern und Jugendlichen arbeiten kann, sollte nicht Lehrer:in werden. Wir fördern bei den Studienanfängern, ihre eigene Schulerfahrung kritisch zu hinterfragen. Sie sollten zudem sich selbst, die eigene Ausdauer, Kommunikationsfähigkeit und den Zugang zu Konfliktlösungen reflektieren können. Für wichtig halte ich die positive Einstellung zur Weiterentwicklung der Schulen und die Bereitschaft, sich als Persönlichkeit weiterzubilden.
Noch vor 25 Jahren wurde Maturant:innen abgeraten, Lehrer:in zu werden, weil es soviele gab. Heute fehlen sie. Ließe sich das nicht besser in Einklang bringen?
Keplinger: Der aktuelle Lehrermangel liegt daran, dass die Babyboomer-Generation in die Pension wechselt. Da das voraussehbar war, hätte man eventuell mit der Attraktivierung des Lehrerberufs etwas gegensteuern können. Aber das hat seine Grenzen und auch in anderen Berufen gibt es diese Phasen von zuviel und zuwenig Absolvent:innen. Es ist heute absehbar, dass es in einigen Jahren wahrscheinlich wieder Wartelisten beim Einstieg in den Lehrerberuf geben wird. Als ich selbst Maturant war, hat auch uns der Landesschulratspräsident gesagt: „Werden Sie bloß nicht Lehrer.“ Aber ich wollte Lehrer werden und habe mich davon nicht abhalten lassen. Im Übrigen finden ausgebildete Lehrer:innen auch in anderen Berufen ein Betätigungsfeld.
Um den aktuellen Lehrermangel zu entschärfen, sucht das Bildungsministerium Quereinsteiger, die die pädagogische Ausbildung berufsbegleitend nachholen. Ist das eine vorübergehende Notmaßnahme oder bringt das im Sinne der Durchlässigkeit auch Vorteile?
Keplinger: Ich sehe das zwiespältig. Zunächst ist klar, dass die Schüler:innen ein Recht darauf haben, unterrichtet zu werden. Deshalb brauchen wir heute die Quereinsteiger. Zudem kenne ich einige persönlich. Sie kommen aus unterschiedlichen Berufen und gehen im Sinne einer Öffnung der Schule mit Ambition ans Werk. Unsere Aufgabe als Pädagogische Hochschule ist es, sie in ihrer berufsbegleitenden pädagogischen Ausbildung gut zu unterstützen.
Schwer zu akzeptieren wäre es für mich, wenn man es bei einer Schmalspurausbildung beließe. Wir haben die Ansprüche in den vergangenen Jahren nicht umsonst gehoben. Diese grundsolide Ausbildung darf nicht aufgeweicht werden. Ich denke, wenn an einer Schule zum Beispiel die Anzahl der quereingestiegenen Lehrer im Verhältnis zu den ursprünglichen passt, kann es der Schule guttun. In Bezug auf jene Quereinsteiger, die wenig ambitioniert Lehrer werden, kann ich auf Zahlen aus Deutschland verweisen: Rund 40 Prozent der Quereinsteiger hören nach ein bis zwei Jahren wieder auf. Da gab es offenbar falsche Vorstellungen von den Herausforderungen.
Sie haben knapp 20 Jahre selbst Religion, Sport und Ethik unterrichtet. Aus Sicht der Kirche sind die Religionslehrer:innen in nicht wenigen Fällen die einzige Schnittstelle zu Kindern und Jugendlichen. Besteht da nicht die Gefahr einer Überforderung des Religionsunterrichts?
Keplinger: Bei unseren heutigen Absolvent:innen habe ich nicht das Gefühl, dass sie das sehr belastet. Ich denke, sie sehen es als Herausforderung. Dass es einen Rückgang bei der Attraktivität der Kirche gibt, macht sich eher in der Zahl derer bemerkbar, die Religionslehrer:in werden möchten. Ich selbst habe sehr gerne unterrichtet. Mir war es wichtig, meine kirchliche Beheimatung in aller Offenheit authentisch und keinesfalls aufgesetzt erkennbar zu machen. Natürlich ist es auch mir passiert, dass jemand gesagt hat: Ich kann damit nichts anfangen. Aber wenn ich heute zu Klassentreffen mit ehemaligen Schüler:innen komme, freue ich mich, dass so manche:r gerade aufgrund dessen, was er im Religionsunterricht erlebt hat, bewusst in der Kirche geblieben ist.
Und der Sportunterricht? Wird von ihm nicht auch erwartet, das wettzumachen, was die Schüler:innen möglicherweise an Bewegung nicht mehr haben?
Keplinger: Die Schule kann nicht die Reparaturwerkstatt der Gesellschaft sein. Natürlich wäre es gut, mehr Schulstunden für Religion, Ethik und Sport zu haben: Aber wir haben immerhin den Religionsunterricht, wir haben den Sportunterricht und diese Möglichkeiten sollten wir bestmöglich nutzen, um den jungen Menschen vieles anzubieten.
Hier auf dem Hang des Freinbergs, wo die Pädagogische Hochschule steht, möchte die Diözese einen großen Bildungscampus schaffen, der auch die Katholische Privat-Universität und andere kirchliche Ausbildungsstätten umfassen soll. Was erwarten Sie sich?
Keplinger: Manchmal werde ich von kirchlichen Insidern gefragt: Was bewirkt ihr eigentlich? Ich antworte darauf: In den 50 Jahren, in denen wir hier auf dem Freinberg tätig sind, haben wir rund 11.200 Lehrer:innen auf ihren Beruf vorbereitet, die in dieser Zeit wiederum neun Millionen Schüler:innen unterrichtet haben. Das ist eine sehr breite Wirkung! Wenn das Campusprojekt wie geplant finanziert werden kann, ist das ein guter nächster Schritt auch in Richtung größerer Kooperation. In dieser Form wäre es eine Besonderheit in der österreichischen Bildungslandschaft.
Und wie sieht Ihre eigene Zukunft aus?
Keplinger: Nach dem Ende meiner Zeit als Rektor werde ich noch ein Jahr an der Hochschule am Institut für Forschung und Entwicklung arbeiten. Ich möchte Forschungsprojekte umsetzen und publizieren. Wenn es vom Bischof gewünscht wird, kann ich beim Campus-Projekt meine Expertise weiter einbringen. Nach diesem Jahr steht dann der Wechsel in den Ruhestand an. Insgesamt freue ich mich, dass es nach sehr fordernden Jahren etwas ruhiger wird.
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