Wort zum Sonntag
„Man muss wirklich wissen, was man will, wenn man sich diesen gigantischen coronabedingten bürokratischen Aufwand antut. Wir sind an unsere Grenzen gekommen“, erzählen Pete Hämmerle, Geschäftsführer des Versöhnungsbunds, und Andreas Paul, Krankenhausseelsorger in Linz. Doch die beiden Organisatoren und ihre dreizehn Mitreisenden wussten, was sie mit ihrer Friedenspilgerreise ins Heilige Land wollten: Solidarität mit Menschen auf palästinensischer und jüdischer Seite zeigen, die sich gewaltfrei für Lösungen in dem Konflikt engagieren. Am Programm der Reisegruppe standen daher täglich Begegnungen.
Eine davon war ein Treffen mit Vertretern von Combatants for Peace – Kämpfer für den Frieden. Die Bewegung wurde Mitte der 2000er Jahre von israelischen Soldaten gegründet. Durch ihren Einsatz in den palästinensischen Gebieten sind sie zu der Einsicht gelangt, dass ihr Agieren nichts mit der Selbstverteidigung Israels zu tun hat, sondern das Militär Besatzungsmacht ist. Bald kam es zum Erfahrungsaustausch mit Palästinensern.
Einen jährlichen Höhepunkt ihrer Aktivitäten bildet eine Alternativveranstaltung zum Nationalfeiertag „Jom haZikaron“, an dem der gefallenen israelischen Soldaten und der Opfer des palästinensischen Terrorismus gedacht wird. Die Combatants for Peace beziehen in ihre Gedenkfeier auch die palästinensischen Opfer mit ein. Bis zur Pandemie hat diese Alternativ-Feier einige hundert Menschen angezogen, seitdem sie coronabedingt virtuell durchgeführt werden musste, haben sich an die 270.000 Menschen zugeschaltet. „Man sieht, welche breite Basis in der Bevölkerung dafür da ist“, erklären Hämmerle und Paul.
Einen Besuch stattete die Versöhnungsbund-Gruppe auch Daoud Nassar und seinem Weinberg bei Bethlehem ab. Der palästinensische Christ, der in Kirchdorf an der Krems maturiert hat, kämpft seit den 1990er Jahren gegen den Versuch israelischer Siedler, ihn vom 1916 rechtmäßig erworbenen Weinberg seiner Familie zu vertreiben. Am 13. Dezember 2021 werden wieder einmal israelische Beamte zu einer Beweisaufnahme kommen. Dass die Leiterin der österreichischen Vertretung in Ramallah, Astrid Wein, die Versöhnungsbund-Gruppe zu Nassar begleitet hat, freut Hämmerle und Paul natürlich. Denn nur Dank internationaler Aufmerksamkeit konnte er noch nicht von seinem Besitz vertrieben werden.
Aufgefallen ist den Reiseteilnehmer/innen, dass bei all ihren Gesprächspartner/innen eine große Ratlosigkeit herrscht, wie der Weg zu einer Lösung des Israel-Palästina-Konflikts aussehen könnte. „Niemand glaubt mehr an eine Zwei-Staaten-Lösung“, betont Paul. „Die große Herausforderung besteht darin, dass die Frage der Gerechtigkeit und des Völkerrechts in Verbindung mit Dialog und Versöhnung gebracht wird“, ergänzt Hämmerle. Zurzeit arbeiten die vielen Gesprächs- und Friedensinitiativen ohne Vision einer umfassenden Lösung. Sie bemühen sich, vor Ort nach Wegen zu suchen, um das konkrete Leben zu verbessern. Dabei entstehen sogar „denkunmögliche Allianzen“.
Die Versöhnungsbundgruppe hat sich mit national-religiösen israelischen Siedlern getroffen, die auf der Basis der Religionen das Gespräch mit den Palästinensern suchen. „Die Siedler sagen nicht mehr ‚Gott hat uns das Land geschenkt’, sondern ‚Das Land gehört Gott und wir gehören zum Land’“, erklärt Andreas Paul. So eine Überzeugung gibt natürlich auch Palästinensern Platz im Land.
Für die beiden Organistoren der Reise hat sich der Aufwand auf jeden Fall gelohnt. Denn alle Gesprächspartner haben betont: „Ihr seid seit eineinhalb Jahren die erste Gruppe, die wieder bei uns ist. Euer Interesse ermutigt uns in unsrem Einsatz.“ «
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