Wort zum Sonntag
Wie sind Sie mit Politik aufgewachsen, was hat Sie politisiert?
Christian Öhler: Mein Großvater war SPÖ-Gemeinderat in Rohrbach, mein Vater war ÖAAB-Betriebsrat in der VOEST. Wir haben früher heftigst diskutiert zu Hause, in der Familie, das war uns ein Herzensanliegen. Eine meiner ersten größeren politischen Aktionen war eine Bürgerinitiative: Als junger Kaplan der Pfarre Linz-St. Michael habe ich mich für die Untertunnelung der A7 beim Stadtteil Bindermichl eingesetzt.
Darf sich ein Priester überhaupt politisch äußern?
Öhler: Manchmal bekomme ich die Reaktion, dass ich mich lieber um mein Kerngeschäft – also die Seelsorge – kümmern solle. Darauf antworte ich, dass zu mir keine Seelen kommen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut mit irdischen Problemen. Diese löst man nicht im Himmel, sondern auf Erden. Und die Probleme der Menschen lassen sich oft nur auf gesellschaftlicher Ebene angehen, das geht nicht ohne Politik. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, damit es in der Gesellschaft halbwegs eine Gerechtigkeit gibt und der Sozialstaat erhalten bleibt. Da muss man sich zu Wort melden. Jetzt mehr denn je.
Braucht es eine Partei, die christliche Politik als Alleinstellungsmerkmal umsetzt?
Öhler: Nein, sicher nicht. Ich finde, jede Partei bringt wichtige Aspekte ein, die man einbeziehen kann in sein Nachdenken und Reflektieren. Inwieweit man mit den von den Parteien vorgeschlagenen Lösungen einverstanden ist, muss man sich vor einer Wahl überlegen.
Wie soll das Verhältnis der katholischen Kirche zu den Parteien definiert werden?
Öhler: Durch ihre Politik bestimmen die Parteien, in welcher Distanz oder Nähe sie zur kirchlichen Soziallehre und damit zur katholischen Kirche stehen.
Die Kirche ist aber auch selbst Akteur, wenn es um die Beziehung zu Parteien geht. Wie gehen Sie selbst damit um?
Öhler: Ich mache natürlich keine Parteipolitik in der Kirche, aber ich bin mit Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien im Salzkammergut im Gespräch.
Bei welchen Gelegenheiten äußern Sie sich politisch?
Öhler: Die Flüchtlingsfrage, das Auseinanderdriften von arm und reich Schöpfungsverantwortung und Klimakrise und die Gedenkkultur sind für mich wichtige Themen. Meine Predigten sind oft politisch, außerdem äußere ich mich auch über die sozialen Medien. Wenn ich bei Weihnachtsfeiern verschiedener Vereine und Organisationen eingeladen bin, erzähle ich nicht irgendein schönes „Weihnachtsgschichtl“, sondern gebe klare Statements ab. Von der SPÖ bin ich vor ein paar Jahren eingeladen worden, am 1. Mai die Hauptrede zu halten. Da war die Verwunderung auch unter vielen Sozialdemokraten groß, dass ein Pfarrer das Referat hält. Ich habe mich auf das „Sozialwort der christlichen Kirchen“ bezogen, was sehr gut aufgenommen worden ist. Wobei ich betonen muss, dass ich bei jeder Partei, die mich einlädt, eine Rede halten würde.
Nehmen Sie auch an politischen Demonstrationen teil?
Öhler: Normalerweise nicht. Eine Ausnahme hat es aber schon gegeben. Als der ehemalige FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache beim letzten Nationalratswahlkampf in Bad Ischl aufgetreten ist, hat es eine Gegendemonstration gegeben. Ich wollte zuerst distanziert bleiben und nicht mitdemonstrieren. Als ich aber Straches Rede hörte, der alle Flüchtlinge pauschal als „Halsabschneider“ diffamierte und Hass und Ängste schürte, hat es mir gereicht. Da habe ich mich zu den Demonstranten gestellt.
Nicht immer wird Ihre Meinung geteilt, wenn Sie sich politisch positionieren. Welche Reaktionen erleben Sie?
Öhler: Meine Teilnahme an der Demo hat mir der Landesparteisekretär der Blauen übel genommen. Meistens ist es aber so, dass die Menschen nicht diskutieren, sondern schweigen.
Ihnen wäre eine Diskussion lieber?
Öhler: Genau. Ich hätte kein Problem damit. Es gehört mehr gestritten in unserer Gesellschaft. Um die besten Lösungen zu finden. Das macht doch eine gesunde Demokratie aus. Es fehlt uns derzeit eine konstruktive Streitkultur. Anstatt sich in den sozialen Medien auszutoben, wäre es doch sinnvoller, wenn Menschen ihre unterschiedlichen Meinungen austauschen und voneinander lernen. In der Realität ist es aber so, dass viele nur ein entweder/oder kennen und reflexhaft entweder radikal dafür oder dagegen sind.
Wort zum Sonntag
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
Die KIRCHENZEITUNG bietet vielfältige Angebote für Pfarren:
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>