Wort zum Sonntag
Sie hängen kopfüber und eng aneinandergekauert unter dem Dach der Wallfahrtskirche von Maria Schmolln. Der Schein der Taschenlampe enthüllt das verborgene Reich der scheuen Fledermäuse. Sie hier am Dachboden betrachten zu können, ist die absolute Ausnahme. Nur ein paar Mal im Jahr darf der Dachboden der Kirche betreten werden. „Wir sollen sie auch heute nicht lange stören“, sagt Fledermausforscherin Isabel Schmotzer, die einer kleinen Gruppe an diesem kühlen Mainachmittag einen kurzen Blick auf die Kolonie der Kirchen-Fledermäuse von Maria Schmolln ermöglicht. Nach ein paar Minuten ist der Ausflug wieder vorbei, ein längerer Besuch auf dem Dachboden würde den Tieren zu viel unnötigen Stress verursachen.
1.300 sogenannte Mausohren pilgern jedes Jahr zu Frühlingsbeginn von ihrem Winterquartier in den Bergen in den Wallfahrtsort und verbringen die warme Jahreszeit auf dem Kirchendachboden. Im Gotteshaus herrschen paradiesische Zustände für die Fledermäuse, unter denen sie ihre Jungen großziehen. Das erste Mal beobachtet wurden sie in Maria Schmolln Mitte der 1980er-Jahre. Seither wohnt Oberösterreichs größte Fledermauskolonie in dem Wallfahrtsort. „Wir in Maria Schmolln sind stolz darauf, dass wir die Fledermäuse bei uns haben“, meint Franz Schönauer. „Mich persönlich fasziniert, wie sie sich durch ihre für uns nicht wahrnehmbaren Ultraschalltöne orientieren können“, sagt er über die Fledermäuse, die einzige Säugetierart, die fliegen kann. Schönauer hat sich als ehrenamtlicher Vertreter der Pfarrgemeinde in den letzten Monaten intensiv mit den Mausohren beschäftigt, denn das Land Oberösterreich hat die Kirche von Maria Schmolln im vergangenen Jahr zu einem eigenen Naturschutzgebiet erklärt. Die Landespolitik reagierte damit auf die Forderung nach mehr Arten- und Naturschutz in Österreich, der von der Europäischen Kommission mit einer Androhung von Geldstrafen Nachdruck verliehen wurde (siehe Spalte rechts).
Die Wallfahrtskirche trägt als neues Europaschutzgebiet demnach zumindest indirekt dazu bei, dem Land Millionen an Euro zu ersparen. Auch die Pfarre betrachte den neuen Status ihrer Kirche positiv, meint Franz Schönauer. „Es ist ein stiller Naturschutz mit kirchlicher Beteiligung.“ In der Praxis ändert sich durch den neuen Status wenig, weil die Fledermäuse schon vorher als bedrohte Art streng geschützt waren. „Man könnte sagen, dass die Schutzmaßnahmen jetzt noch mehr in Stein gemeißelt sind“, berichtet Franz Schönauer. Das bedeutet etwa, dass bei der Kirchenbeleuchtung die Bedürfnisse der Fledermäuse besonders berücksichtigt werden müssen. Extra festgelegt wurde dagegen vom Land Oberösterreich, dass „religiöse Handlungen“ und sonstige Veranstaltungen in der Wallfahrtskirche durch den Naturschutz nicht eingeschränkt werden dürfen. Für die kürzere Lebensdauer des Dachstuhls, verursacht durch den Kot der Fledermäuse, wird ein finanzieller Ausgleich vonseiten des Landes für eine etwaige Sanierung in Aussicht gestellt – denn die Fledermäuse machen so viel Mist, dass der Dachboden alle ein bis zwei Jahre komplett gereinigt werden muss.
Das neue Schutzgebiet, das erst in den kommenden Jahren gesetzlich verankert wird, sorgt jedenfalls für eine außergewöhnliche Stellung der Wallfahrtskirche. In Österreich gibt es mit St. Georgen bei Salzburg nur eine weitere Kirche, die aufgrund eines Fledermausvorkommens als „Natura- 2000“-Gebiet ausgewiesen wurde. Touristisch vermarkten lässt sich dieser besondere Umstand freilich nicht. Zum einen weil das Fledermausquartier nicht zur Schau gestellt werden darf, zum anderen weil ihr Ausflug nur spätabends stattfindet. „Am ehesten lassen sich die Fledermäuse vom gegenüberliegenden Café aus an einem lauen Sommerabend beobachten, wenn sie zu Hunderten ausfliegen“, erzählt Franz Schönauer. Die Fledermäuse gehen nachts in der Umgebung von Maria Schmolln lautlos auf Jagd und vertilgen dabei Fliegen und Gelsen in rauen Mengen. So fressen sie sich für den Winterschlaf ausreichend Fettreserven an. Da dieser Beutezug mit vielen Gefahren verbunden ist, hat Forscherin Isabel Schmotzer noch einen weiteren Vorschlag zum Wohl der Fledermäuse: „Es wäre sinnvoll, wenn auch die Jagdreviere der Fledermäuse als Naturschutzgebiet ausgewiesen würden“.
Zur Sache
Die EU will mit den „Natura 2000“-Gebieten seltene Tier- und Pflanzenarten schützen und erhalten. Die EU hatte 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, weil das „Natura 2000“-Netzwerk nach Ansicht der EU-Kommission unvollständig war. Die österreichische Politik ist in den letzten Jahren der Forderung nach mehr Schutzgebieten nachgekommen und hat damit Strafzahlungen in Millionenhöhe vermieden. Erst vor wenigen Monaten wurden in fünf Gemeinden in Oberösterreich neue „Natura 2000“-Gebiete ausgewiesen: Bergwiesen in Vorderweißenbach, Schlucht- und Mischwälder in Weyer sowie Kalkgestein in Hochburg-Ach und in Vorderstoder und eben der Lebensraum von Fledermäusen in Maria Schmolln. Insgesamt gibt es jetzt 53 „Natura 2000“-Gebiete in Oberösterreich.
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