Wort zum Sonntag
Will man sich über das Werden des Pfarrnetzes in der Diözese Linz einen Überblick verschaffen, greift man zu den Heften „Kirche in Oberösterreich“. Der Kirchenhistoriker Rudolf Zinnhobler hat darin Beiträge verfasst, die die spannungsreichen und faszinierenden Veränderungsprozesse erahnen lassen, denen Pfarren stets ausgesetzt waren – und bis heute sind, wie am Diskussionsprozess „Kirche weit denken“ sichtbar wird. Im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts gelang es, die Diözese Passau, – in der auch das Gebiet des heutigen Bistums Linz lag, – pfarrlich vollständig durchzuorganisieren. Der Prozess ist mit dem Namen Bischof Altmann von Passau (1065–1091) verbunden. Er begann, aus den unterschiedlichen Seelsorge- und Organisationsformen wie Taufkirchen, Eigenkirchen von Adeligen und Kirchen von Klöstern ein einheitliches Netzwerk zu schaffen. Zu seiner Zeit wurde erstmals der Begriff „parochia“ – Pfarre – für einen Seelsorgesprengel mit festgelegten Grenzen und mit einem eigenen Pfarrer verwendet. Davor verstand man unter „Pfarre“ eine Diözese.
Eine genaue Anzahl der Pfarren im Gebiet der heutigen Diözese Linz kennt man erst für das 14. Jahrhundert. In der Lohnsdorfer Matrikel sind 157 Pfarren nachweisbar, darunter 28 Doppelpfarren. Damit kommt man auf 185 Pfarren. Allerdings heißt Pfarrorganisation nicht, dass der Bischof voll und ganz über die Pfarren bestimmen konnte. Er hatte lediglich über ein Drittel das freie Verfügungsrecht, bei den übrigen hatten Klöster und Adelige/Laien als sogenannte Patrone Verfügungs- oder zumindest Mitspracherechte. Dies sorgte immer wieder für Konflikte. Aber das Pfarrnetz bewährte sich. Es blieb bis heute, wenn auch mit Bedeutungsveränderungen, ein stabiler Faktor und fand auch Aufnahme in das kirchliche Gesetzbuch.
Vom Hochmittelalter bis 1530, wo es genaue Aufzeichnungen gibt,verdichtete sich das Pfarrnetz nur mäßig. Zu den 182 Pfarren kommen noch 51 Vikariate, sodass man insgesamt 233 Seelsorgesprengel – vereinfachend gesagt: Pfarren – zählt. Die Festigkeit und die Klarheit des Systems machte die Pfarre zum Erfolgsmodell, damit ging aber eine mangelnde Flexibilität einher. Der sogenannte „Pfarrzwang“ bedeutete für die einfachen Gläubigen oft eine große Belastung. Sie durften ihre religiösen Pflichten wie Osterbeichte und Besuch des Sonntagsgottesdienstes nur in ihrer Pfarrkirche erfüllen. Auch die Taufe der Kinder, Hochzeit und Begräbnis waren an die Pfarre gebunden. Da konnten kuriose Situationen entstehen. Der Archivar des Stiftes Schlägl, H. Pertrus Bayer, gibt ein Beispiel. Häuser, von denen man nur eine Viertelstunde zur Pfarrkirche Aigen zu gehen hatte, gehörten zur Pfarre Rohrbach, das rund zehn Kilometer entfernt war. Änderungen waren so gut wie nicht durchzusetzen, da mit Umpfarrungen für einen Pfarrer weniger stets Taufen etc. verbunden waren und damit auch weniger Einkommen. Wenn die ohnehin nicht üppigen Stolgebühren in einer Landgemeinde ein wesentlicher Betrag zum Auskommen des Pfarres waren, ist das Ringen um jedes einzelne Haus verständlich.
Von 1530 bis 1700 nahm wie in den 200 Jahren davor die Anzahl der Pfarren ebenfalls kaum zu. Es waren um 16 Pfarren mehr. Die Kirchenleitungen waren eher mit der Widerherstellung der kirchlichen Strukturen nach der Reformation beschäftigt. Die kirchliche Obrigkeit setzte offensichtlich aber auch nicht ihre ganze Kraft in die räumlichen Strukturen. In der Barockzeit entstanden eine Vielzahl von Bruderschaften und ein Netz an Wallfahrtsorten, das dem Bedürfnis der Bevölkerung nach neuen vertieften und gemeinschaftlichen Formen der Religiosität entsprach. Rudolf Zinnhobler weist auf 31 Seelsorgestationen hin, die zusätzlich zu den Pfarren geschaffen wurde. Im 18. Jahrhundert waren vornehmlich Jesuiten und Kapuziner als „Wandermissionare“ im Einsatz. Vor der Gründung der Diözese Linz 1983 (römische Anerkennung 1785) zählte man auf dem Gebiet von Oberösterreich knapp 275 Pfarren. Durch Kaiser Joseph II. kam dann ein grundlegender Wandel.
Innerhalb von zehn Jahren – von 1780 bis 1790 – wurden 111 Pfarren gegründet. Eine Pfarre sollte für die Gläubigen innerhalb einer Gehstunde erreichbar sein. Das war das wichtigste Kriterium für ihre Errichtung. Joseph II. gab den Pfarren aber auch eine völlig neue Funktion. Zusätzlich zur Pastoral mussten sie Aufgaben der Verwaltung übernehmen. Über die Pfarren konnte der Herrscher jeden seiner Untertanen direkt erreichen. Der erstarkende Staat mit seiner Zentralverwaltung war nicht mehr vom guten Willen der zwischengeschalteten Grundherrschaft abhängig, was diese an die Untertanen weitergab und durchsetzte oder nicht.
Ein ganz konkreter Auftrag an die Pfarren bestand in der Martrikenführung über Geburten sowie Taufen, Sterbefälle und Hochzeiten. Damit war die Kirche in die Staatsverwaltung eingebunden, aus dem Pfarrhof wurde das Pfarramt. Manchmal zog auch der Amtsschimmel in die Pfarren ein. Erst der nationalsozialistischen Staat beeendete mit 1. Jänner 1939 diese Aufgabe der Kirche.
Kaiser Joseph II. löste auch alle Bruderschaften auf wie z. B. die Rosenkranz- oder Christenlehrbruderschaft. Häufig waren ihre geistlichen Zielsetzungen mit sozialen Aufgaben verbunden. Es wurde das Vermögen der Bruderschaften eingezogen, und damit wurden Pfarrarmen-Institute gegründet, an deren Spitze jeweils der Pfarrer stand. In dieser Arbeit unterstützten ihn Armenväter aus Pfarre und Rechnungsprüfer. Konnte die Pfarre vor Ort einem Hilfsbedürftigen nicht die nötige Fürsorge bieten, stellte der Pfarrer ein Armutszeugnis aus und überwies ihn an die nächsthöhere Ebene. Um 1870 musste das Vermögen der Pfarrarmen-Institute an die Gemeindeverwaltung übergeben werden, die Caritas blieb aber fester Bestandteil vieler Pfarren. Ebenfalls unter Aufsicht der Kirche stand das Schulwesen. Die „Politische Schulverfassung“ übertrug die pädagogisch-diaktische Aufsicht den Pfarrern und Dechanten, bis 1869 die Schulaufsicht staatlich wurde. Der Priester war in der josephinischen Ära auch als Volkserzieher tätig. So gab es eigene Vorschriften für Predigten. Der Pfarrer sollte etwa von der Kanzel herab den Eltern verbieten, Hautauschläge ihrer Kinder zu behandeln, indem sie diese nach dem Brotbacken in den noch warmen Backofen steckten. Die Pfarrer wurden von Joseph II. mit einer Fülle von Aufgaben bedacht.
Von 1817 (Stand: 404 Pfarren) bis 1938 verzeichnete man 24 Neugründungen von Pfarren, es war ein Jahrhundert der Konsolidierung nach Joseph II. Um Priester vor dem Dienst in der Deutschen Wehrmacht zu schützen, wurden innerhalb von zwei Jahren (1939–1941) 20 Pfarren geschaffen, die Gesamtzahl der Pfarren betrug damit 449.
Von Kriegsende bis heute errichteten die Bischöfe besonders im Zentralraum Linz sowie Steyr und Wels Pfarren, um dem Bevölkerungszuzug Rechnung zu tragen und halbwegs überschaubare Pfarrgrößen zu schaffen. Mit 1. Jänner 2019 hat die Diözese Linz 487 Pfarren.
Die Diözese Linz zählt mit 1. Jänner 2019 487 Pfarren – der genaue Begriff lautet „Seelsorgesprengel“. Im Diözesangebiet wohnen 950.074 Katholikinnen und Katholiken. Als letzte Pfarre (Seelsorgestelle mit eigenen Grenzen) wurde am 1. Jänner 2004 Linz-Solarcity errichtet, davor im Jahr 1997 Wels-St. Franziskus und im Jahr 1995 die Pfarren Treffling und Linz- Marcel Callo.
Hintergrund
Im geltenden Kirchenrecht von 1983 heißt es in Canon 374: „Jede Diözese oder andere Teilkirche ist in verschiedene Teile, d. h. Pfarren, aufzugliedern. Um die Seelsorge durch gemeinsames Handeln zu fördern, können mehrere benachbarte Pfarreien zu besonderen Zusammschlüssen z. B. zu Dekanten, vereinigt werden.“
Der Canon 515 lautet: „Die Pfarrei ist eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Seelsorge unter der Autoriät des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut wird.“
Ohne auf Details einzugehen, ist festzuhalten: Das Kirchenrecht schreibt Pfarren als verpflichtend vor, lässt für ihre konkrete Gestalt aber weiten Raum. Wie die Brennpunkte einer Ellipise hat eine Pfarre rechtlich gesehen zwei Pole: die Gemeinschaft der Gläubigen und den Pfarrer.
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Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
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