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Interview

Dekanat Linz-Mitte: „Man merkt die Not sehr deutlich“

KIRCHE_OÖ

Im Interview sprechen Christian Zoidl und Monika Weilguni, Dechant und Dekanatsassistentin in Linz-Mitte, über Zugänge zum Glauben, Kirchenaustritte und ihre Wünsche.

Ausgabe: 11 / 2023
14.03.2023
- Paul Stütz
Die Stadtmitte von Linz ist nicht nur architektonisch stark von den Kirchen geprägt.
Die Stadtmitte von Linz ist nicht nur architektonisch stark von den Kirchen geprägt.
© ADOBE/DUDLAJZOV

Wie sehr ist die katholische Kirche im Linzer Zentrum in der Teuerungskrise gefordert, wie reagieren die Pfarren darauf? 


Weilguni: Pfarren und kirchliche Initiativen blicken gemeinsam auf die Not und versuchen, gemeinsam zu helfen, wobei es gerade auch hier viel ehrenamtliches Engagement gibt. 


Zoidl: Zum Glück gibt es so viele Spenden, sodass die pfarrlichen Caritaskassen entsprechend gefüllt sind. Aber halt auch nicht übervoll sind, wodurch die Pfarren die schlimmeren Fälle immer wieder an die Caritaszentrale verweisen müssen. Man merkt die Not sehr deutlich, wenn sich Leute dringend benötigte Medikamente nicht mehr leisten können. Als Seelsorger:innen sind wir unmittelbar konfrontiert mit der alltäglichen Not. Wir dürfen hier nicht wegschauen. 


Weilguni: Das ist Auftrag der katholischen Kirche, an die Ränder zu gehen.

Von der Spaltung der Gesellschaft wird oft gesprochen, etwa beim Dauerbrenner Asyl. Ist davon auch in den Pfarren etwas bemerkbar?

 

Zoidl: Ich muss sagen, dass das in meinen Pfarrgemeinden äußerlich wenig greifbar und bemerkbar ist. Als Pfarrer muss ich aber auch schauen, dass das ganze Gottesvolk angesprochen wird, niemand ausgegrenzt wird. Deswegen halte ich mich mit politischen Bemerkungen ohnehin stark zurück. 


Weilguni: Was wir aber schon versuchen, ist den Boden zu bereiten für ein gutes Miteinander, gerade beim Asylthema. Etwa wenn Geflüchtete in der Pfarre die Möglichkeit bekommen, ihre Geschichte zu erzählen. Ich merke, wenn die Menschen unserer Gemeinde mit diesen konkreten Schicksalen in Berührung kommen, ist die Bereitschaft, zu helfen, groß. 

 

Ein Team für die Dekanatsleitung: Dechant Christian Zoidl, Peter Schwarzenbacher, Diakon in der Dompfarre, Dekanatsassistentin Monika Weilguni und Angelika Stummer von der Citypastoral (von links) KIZ/PS

 

Für die Diözesanleitung, die die Pfarren und kirchlichen Einrichtungen in Linz-Mitte besucht, ist das quasi ein Heimspiel. Kann bei der Visitation dennoch etwas Neues präsentiert werden?


Weilguni: Also mein Anspruch bei der Visitation ist, dass wir zum einen zeigen, was unser Alltag ist. Das nächste Ziel der Visitation ist, die Vernetzung zu fördern. Wir wollen Treffen initiieren, die wir sonst vielleicht nicht hätten, wo Ehrenamtliche zusammenkommen, aus den Pfarren, aus unterschiedlichen Einrichtungen und miteinander inhaltlich arbeiten. 
Dadurch ist die Visitation gleichzeitig der erste Schritt im Hinblick auf die neue diözesane Struktur, bei der künftig die acht Pfarren von Linz-Mitte Teile einer neuen Pfarre sein werden.


Zoidl:  Wir müssen das fördern, dass noch mehr über den eigenen Gartenzaun geschaut wird. Das Bewusstsein soll gefördert werden, dass es auch im innerstädtischen Bereich verschiedenste Pastoralknotenpunkte gibt, wie das Begegnungszentrum Urbi@Orbi, und nicht nur die Pfarrgemeinden.

 

Weilguni: Manche besonderen Akzente werden bei der Visitation natürlich auch gesetzt. Ein Beispiel dafür ist, dass es im neuen LASK-Stadion im Rahmen der Visitation eine gemeinsame Besichtigung geben wird.

 

Letztes Jahr gab es eine Rekordanzahl an Kirchenaustritten, auch Linz ist stark davon betroffen. Fallen wir, fallen die Menschen vom Glauben ab?

 

Zoidl: Das ist nicht die richtige Diagnose. Es ist vielmehr eine schleichende Entfremdung von der katholischen Kirche. Und da spielen verschiedenste kircheneigene Probleme und Ursachen eine große Rolle. Es treten viele Frauen im mittleren Alter aus, denen es reicht, dass nichts weitergeht bei den großen kirchlichen Reformthemen. 


Weilguni: Unser Auftrag ist, mit anderen Formaten und anderen Zugängen darauf zu reagieren. Wir haben in der Pfarre St. Konrad am Froschberg eine Kinder- und Kuscheltiersegnung veranstaltet, wo die Kirche sehr gut gefüllt war. Es gibt diesen starken Wunsch nach Segen und den Glauben an das Gute.  Ich erlebe das häufig, dass die Menschen nur mehr wenige Berührungspunkte mit der Institution Kirche haben, ihnen der Glaube aber im weitesten Sinne noch etwas bedeutet.

 

Was bedeutet Ihnen der Glaube persönlich? 


Weilguni: Meine Kraft schöpfe ich aus dem Evangelium und diese Quelle ist unerschöpflich. Für mich bedeutet Glaube das Vertiefen in die Meditation, in die Mystik, in den Geist. Das ist für mich die Grundlage für jedes karitative Engagement in der Nachfolge Jesu. Aus dem heraus lebe ich den Glauben in der Gemeinschaft. Wichtig ist mir außerdem, die Botschaft des christlichen Glaubens ins Heute zu übersetzen.


Zoidl:  Es ist mein Hobby, möglichst viel neue theologische Literatur zu lesen. Ich versuche, in einer zeitgemäßen, neuen Sprache den Glauben zu vermitteln. Wir dürfen als Kirche nicht bloß die alten Glaubensformeln, die nicht mehr überzeugen, verkünden. Die Leute sollen merken: Da bemüht sich ein Seelsorger, eine Seelsorgerin, die Glaubensbotschaft verständlich zu machen. 


Was wünschen Sie sich für die Zukunft der katholischen Kirche? 


Zoidl: Also, die heißen Themen, wie die Rolle der Frau, Sexualität, Zwangszölibat, müssen auf jeden Fall angegangen werden, damit sich die Menschen nicht weiter von einer „Sonderwelt Kirche“ verabschieden.
Weilguni: Ich möchte, dass die Kirche weiterhin nahe bei den Menschen ist und sie bei ihren Lebenswenden begleitet. Etwa bei der Geburt, beim Tod, bei der Trauer.


Die Kirche soll ihre Kraft nie verlieren, die Menschen am Rande der Gesellschaft zu hören, zu sehen, mit ihnen mitzuleben und ihnen nahe zu sein. Ich würde mir wünschen, dass Frauen in der Kirche auf Augenhöhe mit ihren Fähigkeiten wahrgenommen werden und eingesetzt werden, unabhängig von Zugangsbeschränkungen.     
 

 

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