Wort zum Sonntag
Welche Stimmung nehmen Sie nach dem Karfreitagsurteil, das die österreichische Regierung gefällt hat, in Ihrer Kirche wahr?
Superintendent Gerold Lehner: Eine große Bandbreite von Gefühlslagen. Da sind diejenigen, die mit dem Austritt aus der evangelischen Kirche drohen, weil diese sich zu wenig eingesetzt hätte, aber die meisten ärgern sich über die Regierung und eine gewisse Enttäuschung gibt es auch in Bezug auf die katholische Kirche.
Warum?
Superintendent Lehner: Weil ein gemeinsames Vorgehen nicht möglich war.
Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Regierung?
Superintendent Lehner: Es zeigt sich ganz klar, wo die Prioritäten der Regierung und der Mehrheit der Gesellschaft liegen: in der Wirtschaft. Da tut sich eine seltsame Diskrepanz auf: Einerseits besteht die Regierung auf den Kreuzen in den Klassenzimmern, andererseits ist kein Verständnis dafür da, dass die Kreuze mit dem Karfreitag zu tun haben.
Das Karfreitagsurteil zeigt klar die schwindende Bedeutung von Religion in der Gesellschaft ...
Superintendent Lehner: Das kann man so sagen, wobei diese Tendenz der Gesellschaft langfristig schaden wird. Als Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit werden immer wieder christliche Werte beschworen. Man bedenkt aber nicht, dass Werte nur leben, wenn sie stets neu ins Gedächtnis gerufen werden und begangen werden. Diese Funktion erfüllen die christlichen Feiertage.
Um welche Werte geht es beim Karfreitag?
Superintendent Lehner: Sogar ohne Glaubenaspekt ist der Karfreitag gesellschaftlich bedeutend: Da tritt ein Mensch – Jesus – für seine Überzeugung ein und macht das, ohne mit Vergeltung zu drohen und eine Hassspirale in Gang zu setzen. Vom Glauben aus bedeutet der Karfreitag, dass Gott, der Urgrund des Lebens, den Menschen die Treue bis ins Äußerste, bis zum Kreuz hält. Worauf gründet denn die Liebe, auf die wir unser Leben bauen, wenn nicht dort?
Die Diözese Linz ist mitten in einem Strukturprozess, steht der auch in Ihrer Kirche an?
Superintendent Lehner: Aktuell nicht. Aber auch wir müssen uns, bei sinkenden Zahlen, der Frage stellen, wieviele Pfarrer wir uns etwa „leisten“ können. In diesem Zusammenhang taucht dann immer die Frage auf nach Zusammenlegungen und größeren Einheiten. Ich bin aber generell ein Verfechter der Kirche vor Ort. Zusammenarbeit über Pfarrgrenzen hinweg ist selbstverständlich und funktioniert auch zum Beispiel bei der Konfirmandenarbeit gut. Aber der Dienst eines Pfarrers in seiner seelsorgerlichen und beziehungsorientierten Dimension muss bleiben. Der lässt sich nicht verdünnen, bis er nur mehr in homöopathischen Dosen besteht. Wir brauchen das Amt der Einheit, das Beziehung schafft. Wir tendieren dazu, Beziehungsarbeit immer weiter zu reduzieren, um die „Normalstruktur“ halten zu können, aber das ist auf Dauer gesehen tödlich.
Von 34 evangelischen Pfarren in Oberösterreich sind zurzeit neun ohne Pfarrer, warum?
Superintendent Lehner: Ewas holzschnittartig geantwortet: Pfarrer sein hieß früher, 24 Stunden im Dienst zu sein, gemeinsam mit einer Ehefrau, die ehrenamtlich mitmachte. Dieses Modell kommt ans Ende – wie übrigens bei den Landärzten auch. Es besteht die Tendenz, Beruf und Privates stärker zu trennen.
Wie geht Ihre Kirche mit dem Pfarrermangel in den Gemeinden um?
Superintendent Lehner: Wir sind ganz gut aufgestellt. Wir haben in Oberösterreich insgesamt rund fünfzig ordinierte Pfarrer und Pfarrerinnen sowie etwa 120 Lektorinnen und Lektoren, die predigen, Abendmahl feiern und taufen dürfen – ohne Theologiestudium. Wir haben also ein ganz starkes Laienelement – und trotzdem braucht es das Amt der Pfarrerin und des Pfarrers, die Theologen sind. Gute Theologie ist wichtig, um auf der einen Seite fundamentalistische Engführungen, und auf der anderen Seite postmoderne Beliebigkeit zu vermeiden. Man braucht einfach den Hirten, die Hirtin. Da bin ich bei einem ganz alten, biblischen Bild. Der Hirt, die Hirtin steht für das Einander-kennen und für das Nachgehen. «
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