Wort zum Sonntag
Was lehrt man als Professorin für Controlling?
Birgit Feldbauer-Durstmüller: Das Wort Controlling wird in der breiten Öffentlichkeit fast ausschließlich mit Kontrolle assoziiert und ruft häufig Angst hervor. Aber das ist ein Missverständnis. Controller:innen achten darauf, dass Unternehmen zielorientiert geführt werden. Ein wesentlicher Part von Controller:innen besteht natürlich darin, dass die Planung in Zahlen gegossen und ein Budget erstellt wird. Und selbstverständlich gehört dazu, dass man Abweichungen analysiert. Planung ohne Kontrolle ist sinnlos. Controller:innen stoßen auch Maßnahmen an und unterstützen Entscheidungen.
Controller:innen haben doch viel mit Zahlen zu tun …
Feldbauer-Durstmüller: Controller:innen sind zahlenorientiert. Mir ist aber wichtig, dass Controlling dabei nicht stehenbleibt: bei Liquidität, Produktionszahlen, Gewinn. Controller:innen schauen auch, dass sie die langfristige Ausrichtung von Unternehmen begleiten. Dass die Strategieplanung nicht nur in den Köpfen stattfindet, sondern zu einem nachvollziehbaren Prozess wird. Da kommt es auf qualitative Fragestellungen an.
Was sind qualitative Fragestellungen?
Feldbauer-Durstmüller: Stichworte zu qualitativen Fragestellungen sind: Früherkennung von Trends, Gefährdungen und schwache Signale. Das Rauchverbot in Gasthäusern ist ein Bespiel für die Bedeutung von schwachen Signalen. International war es immer klar, dass das Rauchverbot auch einmal Österreich betreffen wird. Als es dann soweit war, hat das viele Wirte in Bedrängnis gebracht. Das wäre nicht notwendig gewesen.
Schauen wir auf die Kirche: Was kann sie vom Instrumentarium des Controllings lernen?
Feldbauer-Durstmüller: Für einen zentralen Punkt halte ich die Begleitung der Kirchenentwicklung. Natürlich muss die Kirche Budgets für all die großen und kleinen Projekte erstellen. Aber es braucht im Sinn des Controllings auch einen anderen Schritt: die strategische Orientierung. Man fragt, wie sich die Gesellschaft verändert und erhebt die Auswirkungen – zum Beispiel auf die Kirchenmitglieder und Kirchenbeiträge.
Besonders in der Kirche ist der Begriff Controlling oft negativ besetzt.
Feldbauer-Durstmüller: Beim Controlling geht es darum, das entsprechende Zahlenmaterial zu liefern, damit eine Organisation gesteuert werden kann. Das braucht auch die Kirche. Sie muss jährlich mit Zahlen planen, aber gleichzeitig muss sie sich fragen, wo ihr Zukunftsfeld liegt. Die Herausforderung besteht in der Verzahnung von Zahlen und Pastoral. Die Zahlen für die Kirche stehen uns klar vor Augen. Alles deutet auf einen Abbruch hin. Die Frage ist nun, wie wir die vorhandenen Mittel einsetzen, um das Evangelium – das ist der pastorale Ansatz – den Menschen näherbringen können. Das ist der Ausgangspunkt.
Mit der Erneuerung der Pfarrstruktur hat die Diözese einen großen Veränderungsprozess am Laufen. Wie beurteilen Sie ihn aus der Sicht des Controllings?
Feldbauer-Durstmüller: Meine Wahrnehmung ist, dass ganz viel an Planung und strategischer Vernetzung geleistet wurde und wird. Die Frage, die ich habe, betrifft den Planungszeitraum. Für welchen Zeitraum ist der Zukunftsprozess angelegt? Was ist danach? Das fehlt mir. Wo bekommen wir die Ehrenamtlichen nach diesem ersten Durchlauf her? Das ist Aufgabe des Controllings, sich mit solchen Fragestellungen zu beschäftigen.
Wie halten Sie es in der Pfarre Lambach, wo Sie sehr aktiv sind, mit dem Controlling?
Feldbauer-Durstmüller: Ich möchte es an einem Beispiel zeigen. Akkordiert mit dem Pfarrgemeinderat haben wir uns eine Verjüngung der Pfarrgemeinde als strategisches Ziel gesetzt. Wir konzentrieren uns aktuell auf Familien mit dem Schwerpunkt Kinder- und Familiengottesdienste – immer verbunden mit einer Agape oder sogar einem Brunch. Vergangenen Sonntag war das Sommerrefektorium des Stifts gesteckt voll. Wir haben 175 Brunch-Menüs ausgegeben. Natürlich haben die Spenden die Kosten nicht gedeckt. Deswegen sind im Pfarrbudget Beträge für solche Fälle vorgesehen, auch bei anderen Veranstaltungen.
Brauchen Pfarrmitarbeiter:innen nun ein Wirtschaftsstudium?
Feldbauer-Durstmüller: Ganz und gar nicht. Ich habe an der Katholischen Privatuniversität Linz einen Lehrauftrag zu Budgetierung gehabt. Die Studierenden waren sehr aufgeschlossen. Das Handwerkszeug kann man sich in relativ kurzer Zeit aneignen. Man muss nicht Spezialist:in für Kostenrechnung sein. Man soll schauen, dass eine Pfarre – genauso wie jedes Unternehmen – rational geführt wird.
Was haben Sie als Controllerin schon von der Arbeit in der Pfarre gelernt?
Feldbauer-Durstmüller: Dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Dies ist ein Grund, warum ich mich in der Kirche engagiere: dieses Bild des Menschen. In der Betriebswirtschaft wurde der Mensch lange Zeit als reiner Kostenfaktor gesehen, dann wurde er zur Humanressource. Erst unter dem Druck des Arbeitskräftemangels kommt es zum Umdenken: Die Wertschätzung des Menschen ist ein Benefit für Unternehmen. Den Menschen, auch die Schwachen zu achten, das erfahre ich besonders in der Pfarrpastoral.
In der Kirche zu arbeiten, die ihre Eigenheiten hat, ist sicher nicht einfach ...
Feldbauer-Durstmüller: Ich halte die Kirche mit ihren Begrenztheiten aus, weil ich auch die Universität ausgehalten habe. Denn die war zu Beginn meiner Professur absolut männlich dominiert.
Wort zum Sonntag
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