Wort zum Sonntag
2015 wurden die ersten Flüchtlinge aus dem Linzer Zeltlager in Linz.-St. Peter aufgenommen. Was gab den Ausschlag, den jungen Syrern in der Pfarre Unterkunft zu geben?
Franz Zeiger: Ich habe die Bilder vom Linzer Flüchtlingszeltlager im Fernsehen gesehen. Da habe ich mir gedacht: „Ich habe ein riesengroßes Pfarrhaus, es ist einfach ein Gebot der Stunde, die Türen aufzumachen.“
Am Anfang sollte es eine Übergangslösung sein.
Zeiger: Ja. Am 1. Juni sind sie eingezogen. Wir haben damit gerechnet, dass sie im September wieder ausziehen. Die Zahl war aber so groß, dass wir sie woanders gar nicht hätten unterbringen können. In dieser kurzen Zeit sind die Flüchtlinge unserer Gemeinde ziemlich ans Herz gewachsen. Wir haben also gesagt: „Okay, wir tun einmal weiter.“ So läuft das bis jetzt.
Wie war der erste Kontakt?
Zeiger: Beim ersten Gottesdienst nach ihrer Ankunft haben sie sich der Gemeinde vorgestellt, damit transparent ist, wer da ist, wer zu uns kommt. Die jungen Männer waren gleich bei sämtlichen Festen beim Grillen und beim Servieren dabei. Schnell sind gute Beziehung und Freundschaften zu der Pfarrbevölkerung entstanden, die bis heute bestehen.
Es kamen junge Männer und keine Familien. Was war der Grund?
Zeiger: Die Caritas hat entschieden, dass es gescheiter ist, dass Männer kommen, weil dafür die Räumlichkeiten besser passen, als wie für Familien.
52 Flüchtlinge wurden in den letzten Jahren von Ihrer Pfarre betreut, 49 Syrer, zwei Iraker und ein Iraner. Einen Endpunkt gibt es noch nicht?
Zeiger: Solange sie uns brauchen, so lange können sie dableiben. Eine große Zahl an Flüchtlingen kommt mittlerweile nicht mehr. Derzeit leben sechs Menschen hier. Zu den Spitzenzeiten waren es 14.
Wie geht es den Flüchtlingen aktuell, konnten sie schon Fuß fassen in Österreich?
Zeiger: Bis auf einen Syrer, bei dem das Verfahren läuft, haben ausnahmslos alle einen positiven Bescheid bekommen. Bei allen Asylverfahren haben entweder die Pfarrsekretärin Maria oder ich die Flüchtlinge begleitet. Es hat sich gezeigt, dass es hilfreich ist, wenn wir als Vertrauenspersonen dabei sind. Außerdem sind bei einigen Syrern bereits die Familien aus Syrien nachgekommen. Einer meiner Schützlinge wird im September eine Österreicherin heiraten. Ich bin dabei der Trauungspriester.
Wie schaut die Situation bei der Wohnungs- und Jobsuche aus?
Zeiger: Fast alle haben schon eine Wohnung und Arbeit gefunden, fünf der sechs Syrer, die bei uns momentan leben, haben bereits einen Job, der sechste macht gerade sein Studium fertig. Einige der Syrer arbeiten im Gastgewerbe, im Transportwesen, in Bürojobs. Einer hat eine Arbeit als AMS-Betreuer gefunden. Geholfen hat bei der Wohnungs- und Jobvermittlung, dass wir viele Mitarbeiterinnen – es sind hauptsächlich Frauen – in der Pfarre haben, die gut vernetzt sind.
Die Lage in Syrien hat sich teilweise leicht gebessert. Denken manche über eine Rückkehr nach?
Zeiger: Ein paar denken schon darüber nach. Bei denen, die hier Kinder kriegen oder eine Österreicherin heiraten, ist das kaum der Fall. Aber bei anderen sind die Bindungen nach Syrien stärker, die wollen vielleicht irgendwann zurückkehren, wenn der Krieg aus ist.
Die Stimmung gegenüber Flüchtlingen ist nach 2015 in Österreich schnell ins Negative gekippt. Wie hat das die Syrer vom Spallerhof betroffen?
Zeiger: Einer der syrischen Flüchtlinge hat mir erzählt, dass er, wenn er mit Frau und Kinder auf der Straße unterwegs ist, teilweise blöd angesprochen wird. Anfangs gab es eine positive Willkommenskultur, jetzt dominiert eine Neidgesellschaft, weil es so verkauft wird: Es geht dir besser, wenn es dem anderen schlechter geht. Aber das stimmt ja nicht. Unterschwellig kommt es auch in manchen Medien vor: Passt auf, die nehmen euch was weg. Dabei muss ich sagen, ich habe jetzt 50 junge Leute, die Steuern in voller Länge zahlen. So viel haben die ja gar nicht rausgenommen, was die jetzt wieder einzahlen.
Die Integrationsarbeit der Pfarre ist sehr erfolgreich und wurde auch im Frühjahr mit dem Integrationspreis der Stadt Linz ausgezeichnet.
Zeiger: Das ist eine sehr schöne Wertschätzung. Wenn du immer nur eine überschaubare Zahl an Flüchtlingen hast wie wir, dann kannst du zu jedem eine persönliche Beziehung aufbauen. Einige Menschen aus der Pfarre haben Patenschaften für die Flüchtlinge übernommen. Die Pfarrsekretärin Maria und ich haben eine Mutter-Papa-Rolle für die jungen Männer. Das waren ja alles fast noch Buben, als sie gekommen sind. Auch der Bezug zu den Tieren im Pfarrhof war für die Flüchtlinge wichtig. Einer der Flüchtlinge war in Syrien lange Zeit in einem Erdloch versteckt und schwer traumatisiert, als er zu uns kam. Er hat lange nichts geredet, wollte auch keine Psychotherapie machen. Aber unsere Pfarrhündin Laura hat er eines Tages auf sein Zimmer mitgenommen und ihr alles erzählt. Seitdem war alles anders, und er war danach viel offener. Für mich war immer klar, dass Tiere Therapeuten sind.
Sie sprechen es an, die Pfarre hat hier einen weiteren großen Schwerpunkt mit den Tiersegnungen. Wo kommt Ihre Tierliebe her?
Zeiger: In unserer Familie hat es immer Tiere gegeben. Jedes Kind hat ein Tier gehabt damit wir Verantwortung lernen. Für mich ist das was ganz Selbstverständliches. Ich könnte mir ein Leben ohne Tiere nicht vorstellen.
Wie erklären Sie sich die große Beliebtheit von Tiersegnungen?
Zeiger: Was man gerne hat und einem wertvoll ist, will man beschützt sehen. Es gibt viele Menschen, die wenig sozialen Bezug haben, denen nichts geblieben ist außer dem Hund oder der Katze. Da ist es ganz wichtig die Zusage zu bekommen, dass das ein geliebtes Geschöpf Gottes ist.
Mit der Tiertafel unterstützt Ihre Pfarre arme Menschen mit gratis Tierfutter. Im Frühling gab es einen Engpass. Wie geht es der Tiertafel jetzt?
Zeiger: Auf einen Hilfsaufruf hin haben wir viel Unterstützung bekommen. Grundsätzlich geht es uns besser, aber wir sind auf Spenden angewiesen, weil wir keine öffentliche Unterstützung bekommen.
Dass eine Pfarre hilft …
ist unsere christliche Kernaufgabe.
Aber hängt Ihr großes Engagement auch damit zusammen, wie Sie aufgewachsen sind?
Zeiger: Ich bin in einer Arbeiterfamilie groß geworden. Wir waren nicht reich und man hat das Teilen gelernt. Meine Mama war Hausfrau und ist immer zu den Nachbarinnen, die krank oder pflegebedürftig waren, gegangen und hat sie bis zum Schluss begleitet. Sie hat nie viel Aufhebens davon gemacht, aber wir Kinder haben mitbekommen, dass sich das gehört. Wenn jemand Hilfe braucht, tut man das und redet nicht lange herum.
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