Wort zum Sonntag
Das ist eine gute Frage, denn das mit der Erbsünde ist eine Sache für sich. Die Schwierigkeiten beginnen schon beim Begriff „Erbsünde“, denn weder ist es eine Sünde im Sinne der individuellen Verantwortung, noch wird sie vererbt. Was meinen wir also damit?
Versuchen wir zu verstehen, woher diese Lehre kommt. Wir verdanken sie dem Kirchenvater Augustinus. Er sprach vom „peccatum originale“ (Ur-Schuld). Mit dieser Lehre versuchte er eine Antwort zu geben auf Fragen, die die Theologen seiner Zeit umgetrieben haben: Kommt ein Mensch, der ungetauft stirbt, in den Himmel? Kann sich der Mensch selbst erlösen oder findet er ausschließlich durch Christus das ewige Heil? Augustinus hat darauf geantwortet, dass der Mensch sich selbst nicht erlösen kann und er für das ewige Heil notwendig getauft werden muss.
Er begründet es damit, dass Adam und Eva im Paradies gesündigt haben und dass die Folgen dieser Sünde bei der Fortpflanzung von einer Generation in die andere weitervererbt werden. Grund dafür war seine Ansicht, dass das sexuelle Begehren eine Folge des Sündenfalls und deshalb sündhaft sei.
Aus heutiger Sicht sind diese Positionen nicht zu halten, denn erstens ist die Erzählung von Adam und Eva im Paradies nicht die Geschichte des ersten Menschenpaares, wovon Augustinus und seine Zeitgenossen noch überzeugt waren, und zweitens haben wir auch eine neue Sicht des sexuellen Begehrens, das nicht mehr als sündhaft angesehen wird.
Ist die Erbsündenlehre noch zu retten? Die Grundfragen, auf die Augustinus aus heutiger Sicht unzulängliche Antworten gegeben hat, stellen sich auch heute: Woher kommt das Böse? Warum kommt jeder Mensch im Lauf seines Lebens unausweichlich mit dem Bösen und mit der Erfahrung von Sünde in Berührung?
Wie wirkt es sich auf den einzelnen Menschen aus, dass er hineingeboren wird in eine Welt, die in vielerlei Hinsicht geprägt ist von Gewalt und Unrecht? Was an der Erbsündenlehre jedenfalls zu retten ist, ist der Glaube daran, dass Gott uns aus diesem ganzen Schlamassel, in das wir verstrickt sind, retten will.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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