Wort zum Sonntag
Wenn wir Fragen an den christlichen Glauben beantworten wollen, dann suchen wir nach dem Sinn der Heiligen Schrift und nach den Erfahrungen der Christgläubigen aller Zeiten.
Sie sind es, die in der Lehre der Kirche durch Zustimmung und Zurückweisung verdichtet worden sind. Dabei werden alle, auch die gelehrtesten Personen, nicht alle Fragen beantworten können. Wunderbare Heilige können uns lehren, mit offenen Fragen zu leben. Die Patronin der offenen Fragen ist für mich Therese von Lisieux (1873–1897). Sie lehrt uns nicht nur, wie wir mit solchen Fragen leben können, sondern sie hat uns auch in Erinnerung gerufen, wie wir Fragen überhaupt angehen sollten: in der Form jener Liebe, die Paulus im ersten Korintherbrief beschreibt und die zuerst gelebt und dann bezeugt werden möchte.
Denn der christliche Glaube wurzelt in der unwahrscheinlichsten aller denkbaren Hoffnung: die über unser Fühlen, Ahnen und Denken erhabene Gottheit hat sich uns in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi selbst geschenkt. Durch Jesus Christus, durch ihn, mit ihm und in ihm sind wir definitiv in das Leben des Heiligen Israels hineingenommen und erfahren und bekennen die Gegenwart Gottes als das Geschenk der reinen Liebe. Die Liebe ruft alle und alles in seine Gegenwart, das Reich Gottes, und verwandelt uns durch ihr Feuer in die Vollendung hinein, die nach christlicher Überzeugung Gemeinschaft mit der einen dreigestaltigen Liebe sein wird.
Deshalb sollten Glaubensfragen uns in die je größere Liebe hinein verwandeln und uns dazu ermutigen, dieser Liebe in unserem Leben so Raum zu geben, dass wir für andere zum Segen werden. Glaubensnüsse sollen daher nicht mit Gewalt geknackt werden, sondern so in meine Lebenserde gepflanzt werden, dass sie sich wandeln und Frucht bringen können. Dazu bleibt mir die Mutter Jesu selbst das Vorbild. Für mich ist der Glaubensraum, der durch sie eröffnet wird, völlig angstfrei und daher ein Segen für unser Fühlen und Denken bis in die unergründlichsten Abgründe hinein. Maria erschrickt nicht über den Gruß des Engels, sondern es heißt wörtlich: Sie wird umgewendet und geht ins Zwiegespräch darüber, was dieser Gruß bedeute (Lukas 1,28). So sagt auch uns der Engel: Keine Angst vor Fragen, lass dich umwenden und beginn das Zwiegespräch mit Gott.
Das wollen wir beherzigen. Von der Mutter Jesu wird aber auch zweimal gesagt, dass sie alle diese Worte in ihrem Herzen bewahrt hätte (Lukas 2,19.51). Sie konnte mit offenen Fragen leben und ließ der Wahrheit deshalb Zeit, weil nicht jede Antwort zu jeder Zeit die je größere Liebe fördert. Manche Antworten wehren ab und gründen in einer verborgenen Angst. Wenn wir also auf manche Fragen keine Antwort finden sollten, werden wir das Gewicht dieser Frage im Herzen bewahren und es gerade so der Liebe Gottes anvertrauen.
Petrus hat uns in seinem ersten Brief ermutigt, allen Rede und Antwort zu stehen, die nach dem Grund unserer Hoffnung fragen (1 Petrus 3,14). Doch wir wollen nicht vergessen, dass er uns auch dazu ermahnt, zuerst Christus in unserem Herzen heilig zu halten und demütig und bescheiden zu antworten. Wir sollten also mit einem Herzen antworten, das dem Herzen Jesu gleichgestaltet wird (Matthäus 11,29) und der je tieferen Liebe Raum zu geben vermag. So bauen Antworten keine neuen Mauern auf, sondern laden dazu ein, selber die Botschaft des Glaubens neu zu verschmecken. So werden Glaubensnüsse zu Bäumen für die nächste Generation.
Suche nach dem fruchtbaren Kern
Teil 1 von 5
Zugang finden zu vier Themen: Auferstehung, Jungfräulichkeit, Leid, Gottes Sohn
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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