Wort zum Sonntag
Unsere Barock- und Rokokokirchen sind als himmlische Audienzsäle konzipiert. Der Unterschied zu den herrschaftlichen Festsälen ist, dass diese für die „normalen Menschen“ nicht zugänglich waren, die Kirchen aber sehr wohl. Die Gläubigen sollten nicht nur belehrt, sondern im Innersten ergriffen und bewegt werden, wie es Jakob nach der Erscheinung Gottes im Traum sagte: „Wie Ehrfurcht gebietend ist doch dieser Ort! Er ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels.“ (Genesis 28,17)
Engel erweisen sich in diesen Kirchen etwa als dienende Geister, indem sie verschiedene Attribute der Heiligen in der Hand halten. Das reale Spiel der Orgel vereint sich hier mit dem durch die Engel gespielten himmlischen Konzert zur Ehre Gottes. Rauchfassschwingende Engel verbinden die himmlische Liturgie mit der Liturgie am Altar. Die liebenswürdigen Kinderengel, auch Putten genannt, haben als Vorbilder die in der römischen Kunst beliebten Amoretten oder Eroten – kleine Liebesgötter. Die Volksfrömmigkeit hat darin in einer Zeit hoher Kindersterblichkeit die verstorbenen Kleinkinder im Himmel aufgehoben gesehen.
Manche finden die Englein zu niedlich und sentimental. Man könnte aber auch an das Wort Jesu denken: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen.“ (Matthäus 18,3) Das unschuldige, heile Wesen des Kindseins soll hier spürbar werden. Zum Kindsein gehört das Spielen, und auch Erwachsene sollen das Spielen nicht verlernen. In einer Zeit, wo vieles Schwere auf den Menschen lastet, erinnern Engel an die Leichtigkeit des Seins und den Wert des Humors und der Lebensfreude.
Seit einigen Jahren bekommen bei uns im Stiftsgymnasium Wilhering die Schüler:innen der ersten Klasse am Schulanfang einen unbemalten Holzengel, der von ihnen bemalt und beschriftet wird. Solange die Jugendlichen bei uns sind, steht ihr Engel in einer Vitrine in der Schutzengelkapelle. Wenn sie die Schule verlassen, nehmen sie ihre Engel mit.
Die Rede vom „Schutzengel“, den jeder Mensch hat, knüpft vor allem an das Wort Jesu an: „Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.“ (Matthäus 18,10) Mit anderen Worten: „Ein Engel ist gleichsam der persönliche Gedanke, mit dem Gott mir zugewandt ist. “ (Joseph Ratzinger)
Romano Guardini hat mit Recht darauf hingewiesen, dass nicht nur Kinder schutzbedürftige Wesen sind, sondern jeder Mensch auf Hilfe angewiesen ist. Wir brauchen einen Helfer, um unser wahres Ich zu schützen und das Ego zu überwinden. Wir brauchen jemanden, der uns daran erinnert, dass wir Ebenbilder Gottes sind und nicht selber Gott. „So sagt die Kirche: Du bist nicht allein. Dein Selbst ist in der Hand von einem, der dich sieht und Gott sieht, der Gottes Angesicht sieht und in Seinem Lichte dich.“ (Romano Guardini)
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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