Die EU, so die Meinung vieler Bürger/innen, ist weit weg. Doch wir leben mitten in dieser Europäischen Union. Ein Kommentar von Hans Baumgartner.
Ausgabe: 2014/21, EU, Europa, Wahl
20.05.2014
- Hans Baumgartner
In den friedensbewegten 80er-Jahren galt das geflügelte Wort „Stell dir vor, es ist Krieg, und niemand geht hin“ als sympathischer Aufruf, das eigene und das gesellschaftliche Immunsystem zu stärken. Wenn man heute gelegentlich hört, „Stell dir vor, es ist EU-Wahl und niemand geht hin“, dann ist das ein Ausdruck von Ratlosigkeit, Resignation oder Desinteresse. Die EU, so die Meinung vieler Bürger/innen, ist weit weg. Doch wir leben mitten in dieser Europäischen Union. Dabei ist uns vieles so selbstverständlich geworden, vom regen Austausch Studierender und dem grenzenlosen Reisen bis zu den engen wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Verflechtungen. Erst wenn ein Glied an diesem vielgestaltigen „Körper“ EU krank ist und die Solidarität aller gefragt ist, schrecken wir irritiert auf. Das ist dann auch die Stunde der Populisten, die dann ihr „Österreich, Frankreich, England etc. zuerst“ predigen. Aber würden Sie ein Familienmitglied, das – auch durch eigene Mitschuld – in Schwierigkeiten geraten ist, einfach im Stich lassen?
An EU-Europa gibt es sicherlich manches zu kritisieren. Es war von Anfang an kein perfektes „Fertighaus“, sondern immer eine Baustelle, was allein die sieben Erweiterungsrunden deutlich machen, die zum Teil auch aus Verantwortung gegenüber jungen Demokratien gemacht wurden. Man hätte es sich auch im Haus der Wohlbestallten gemütlich machen können. Gerade das Parlament war immer ein Ort, an dem Europa weiterentwickelt wurde, die nationalen Egoismen in Frage gestellt und die Geheimpolitik durchbrochen wurden. Es zu stärken, ist ein Votum für ein Europa der Bürger/innen.