Zwanzig Minuten sinnlos herumstehen und warten. Ein Wahnsinn! Darf das in unserer stets ausgefüllten Zeit noch sein? Ein "Unter Uns" von Elisabeth Leitner.
Ein schlecht vereinbarter Termin beschert mir zwanzig Minuten Stehzeit. Wahnsinn, oder? 20 Minuten sinnlos herumstehen und warten. Wo doch die Zeit eh so knapp ist. Dem Ärger folgt der Versuch, diese Tatsache positiv zu sehen. Ein Gebot der Stunde. Alles krampfhaft positiv sehen. Das kommt mir anstrengend vor. Auf dem Wartebänkchen wird ein Platz frei. Ich setze mich. Und warte. – Irgendwie bin ich dann hineingekippt. In das Menschen Beobachten, Schauen. Wie sie gehen, lachen, reden, telefonieren. Traurig vorbeilatschen. Rauchen. Verzweifelt sind. Wie sie zuhören, die Augen verdrehen, ihr Taschentuch aus dem Hosensack nesteln. Gesichter, Menschen, Geschichten tauchen auf. Ich male mir ihr Leben aus. Woher sie kommen, wohin sie gehen, was sie beschäftigt. Ob sie alleine leben oder mit einem Partner. In einer kleinen Wohnung oder doch in einem Häuschen am Land. Zu jedem, zu jeder fällt mir etwas ein. Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich schaue und erinnere mich: wie gern hab ich das früher gemacht. Menschen bei nichtssagenden, alltäglichen Tätigkeiten zu beobachten und mir daraus Geschichten zu basteln. „Kopfkino“ – leider hab ich dafür im Alltag keine Zeit mehr. Es sei denn, sie wird mir geschenkt. Danke!