Drei Verteilungsfragen – Arbeit, Vermögen und Steuerlast – sind Themen der Vorträge des Jesuiten, Sozialethikers und Ökonomen Friedhelm Hengsbach in Linz. Am 15. April 2015 wird er im Wissensturm über die Ethik des Eigentums, am Tag darauf im Cardijn-Haus über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft referieren.
Wird tatsächlich der Wert der Arbeit wieder steigen, wie der französische Ökonom Daniel Cohen meint? – Beim Sozialstammtisch am 16. April werden Sie darauf antworten. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ: Wir müssen unterscheiden zwischen den bekenntnishaften Verheißungen und den nüchternen Erwartungen, die sich an der Situation orientieren, die wir vorfinden. Ohne eine ernsthafte politische Gegensteuerung wird sich die Spaltung der Arbeitsverhältnisse fortsetzen: zwischen Kernbelegschaften, die halbwegs sichere Arbeitsplätze mit komfortablen Einkommen haben, und Randbelegschaften, etwa Leiharbeiter, befristet und prekär Beschäftigte, die niedrig entlohnt werden.
Sie sprechen sich immer wieder für Arbeitszeitverkürzungen aus und sagen, die Arbeit müsse neu verteilt werden. Hengsbach: Die hohe Produktivitätsentwicklung in der Industrie ermöglicht ein gleiches Ergebnis bei weniger Arbeit. Im Bereich personennaher Dienste gibt es vergleichbare Produktivitätszuwächse nicht. Also wäre ein Umbau von einer industriellen Konsumwirtschaft in eine kulturelle Dienstleistungswirtschaft plausibel. Ebenso eine ausgewogene Verteilung der Arbeit von Männern und Frauen in der Erwerbsarbeit und in der Privatsphäre.
Sie kritisieren, dass die Politik vor der Wirtschaft in die Knie gegangen ist. Die Politik ihrerseits verweist immer auf Sachzwänge. Hengsbach: Die Wirtschaft ist kein Naturereignis, sondern ein Kulturprodukt. Es gilt nicht ein Naturgesetz, das Wasser nicht den Berg hinauffließen lässt. Das System der Wirtschaft ist eingebettet in einen gesellschaftlichen Rahmen, der rechtlich und politisch geregelt ist. Was Menschen regeln, unterliegt individueller und gesellschaftlicher Verantwortung. Nachdem Banken, Industrie- und Energiekonzerne oder Handelsketten es geschafft haben, den Staat so unter Druck zu setzen, dass er ihre privaten Interessen bedient, ist derzeit eine Rückbesinnung der politisch Verantwortlichen zu beobachten.
In einer Rede bei einer Demonstration der Aktion „Umfairteilen jetzt!“ haben Sie ein Steuersystem gefordert, das die „exklusiv Reichen“ mehr zur Finanzierung der öffentlichen Güter heranzieht. Was ist „exklusiver Reichtum“? Hengsbach: Das Manager-Magazin veröffentlicht jährlich eine Liste der 100 reichsten Milliardäre, das sind Personen, die über ein Nettovermögen von 1 Mrd. Euro bis ca. 40 Mrd. Euro verfügen. Exklusiver Reichtum beginnt dort, wo ausschließlich aus den Vermögenserträgen ein gehobener Lebensstandard gewährleistet ist. Zudem ist exklusives Vermögen zusätzlich durch gesellschaftliche und politische Macht sowie den Zugang zu informellen Beziehungsnetzen charakterisiert.
Sie betonen: Für das Privateigentum an Gebrauchsgütern müssten andere Regeln gelten wie für das Privateigentum. – Welche Regeln sind für das Privateigentum an Produktionsmitteln angemessen? Hengsbach: Die Eigentümer der Produktionsmittel können ihr Eigentum in der Regel wirtschaftlich nur verwerten, indem sie sich fremder Arbeit und gesellschaftlicher Vorleistungen bedienen. Deshalb klingt es überzeugend, wenn diejenigen Ressourcen, die gemeinsam die unternehmerische Wertschöpfung erarbeiten, auch an der Verteilung dieser Wertschöpfung fair beteiligt werden. Das heißt also, dass die Wertschöpfung anteilig auf das Arbeits-, Geld-, Natur- und Gesellschaftsvermögen verteilt wird und nicht ausschließlich bzw. überwiegend auf dem Konto der Eigentümer des Geldvermögens landet.
„Solange politische Entscheidungen unter dem Druck der Finanzmärkte und des exklusiven Reichtums, also marktkonform, zustande kommen“, gehe es dem Land nicht gut, warnen Sie. Es werde ihm erst gut gehen, wenn die kapitalistische Verteilungsregel demokratiekonform ist. Ist der Markt also nicht demokratiekonform? Hengsbach: Der Markt ist nur in seiner idealtypischen Konstruktion egalitär bzw. demokratisch, wenn die Verhandlungsposition im Tausch gleich ist. Tatsächlich ist die Verhandlungsmacht asymmetrisch verteilt – zwischen Kunden und Anbietern, zwischen Banken und Einzelunternehmern, zwischen Produzenten und Konsumenten, vor allem zwischen Arbeitgebern und abhängig Beschäftigten. – In der kapitalistischen Marktwirtschaft gibt es ein primäres Machtgefälle zwischen einer Minderheit, die über die Produktionsmittel verfügt oder deren Eigentümer ist, und der Mehrheit der Bevölkerung, die nur über ein Arbeitsvermögen verfügt. Das ist das feudale Erbe in der modernen Erwerbsarbeitsgesellschaft. Eine kapitalistische Marktwirtschaft wäre erst dann tendenziell demokratiekonform, wenn die Entscheidungsmacht über die Produktion und die Verteilung paritätisch in den Händen derer liegt, die gemeinsam die unternehmerische Wertschöpfung erarbeiten.