„Zeltstädte für Flüchtlinge sind ein Armutszeugnis“
Mit scharfen Worten kritisieren Vertreter von Kirche, Caritas, Diakonie und anderen Organisationen die zeitweise Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten: Das wäre vermeidbar gewesen, lautet der Grundtenor.
Ausgabe: 2015/21, Asyl, Flüchtlinge
19.05.2015
Eine „Bankrotterklärung der Menschlichkeit“, ausgerechnet am Jahrestag der Staatsvertragsunterzeichnung, sieht der evangelische Bischof Michael Bünker in den Flüchtlingszelten. „Zeltlager sind die denkbar schlechteste Lösung“, sagte auch Caritas-Präsident Michael Landau. Er weigere sich zu glauben, „dass Zeltstädte wirklich ohne Alternativen waren“. Schließlich gebe es Unterbringungsangebote seitens der Kirche und vieler Nichtregierungsorganisationen. Ein Teil des aktuellen Problems sei „hausgemacht“ und auf schlechte Zusammenarbeit zwischen den Ländern, Gemeinden und den Ministerien zurückzuführen, sagte Landau. Die Zelte wären insbesondere für die Gemeinden ein falsches Signal: Innenministerium und Landeshauptleute müssten vielmehr mit gutem Beispiel vorangehen. Der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner sprach von einem „politischen Muskelspiel am Rücken von Flüchtlingen“. Tatsächlich gab es auch nach dem Aufstellen der Zelte gegenseitige Vorwürfe in der Politik, wer für die Misere verantwortlich ist.
Notfall
Das Innenministerium hatte vergangene Woche die Errichtung von drei Zeltstädten für je 96 Flüchtlinge in Linz, Thalham (OÖ.) und in der Stadt Salzburg angeordnet. Begründet wurde dies mit einem starken Anstieg der Asylanträge in den Tagen zuvor. Am 11. Mai war mit 314 die höchste je registrierte Zahl an einem Tag festgestellt worden. Damit sei das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen (NÖ) völlig überlastet gewesen. Das Innenministerium nennt die Zelte eine Notmaßnahme. Die Flüchtlinge würden dort nur kurze Zeit untergebracht.
Kritik
Eine schnelle Lösung des Problems ist unterdessen nicht in Sicht. Ein Krisengipfel des Innenministeriums mit den Organisationen, die Flüchtlinge betreuen, sei zwar ein „lösungsorientiertes, konstruktives Gespräch“ gewesen, sagte Wiens Caritas-Generalsekretär Schwertner. Allerdings gebe es „unterschiedliche Wahrnehmungen“ zwischen der Politik und den Hilfsorganisationen. Schwertner kritisierte auch, dass nur 20 Prozent der Gemeinden Asylwerber untergebracht hätten. Er erinnerte zudem an die Initiative „Gegen Unrecht“, die sich für eine menschliche Flüchtlingspolitik einsetzt. Siehe dazu: www.gegen-unrecht.at