Das alltägliche Leben afrikanischer Mitbürger in Österreich
Ausgabe: 1999/22, Afrika, Asylwerber, Omofuma
01.06.1999 - Martin Kranzl-Greinecker
Anfang Mai kam ein nigerianischer Asylwerber bei seiner Abschiebung aus Österreich ums Leben. Letzte Woche starb ein Sudanese im Flugzeug, als er von Deutschland aus abgeschoben wurde.
Marcus Omofuma starb gefesselt und geknebelt, sein Mund und seine Nase waren verklebt. – Der Tod des Nigerianers löst eine Reihe von Diskussionen aus. Zunächst wird die Verantwortung des Innenministers und der ausführenden Beamten für den Todesfall diskutiert. Einmal mehr steht auch die grundsätzliche Frage des Umgangs mit Asylwerbern und Schubhäftlingen im Raum. Letzte Woche, knapp vor dem Bundesparteitag der FPÖ in Linz, werden bei einer österreichweiten Razzia Drogenhändler afrikanischer Herkunft festgenommen. Einige lebten als Asylwerber in Flüchtlingsheimen. Tags darauf spricht FPÖ-Obmann Jörg Haider in Linz von „Mördern unserer Kinder, die in Österreich nichts verloren haben.“
Wird Rassismus salonfähig?
Solche Töne radikalisieren. Am Parteitag und am Stammtisch. Afrikaner in Österreich reagierten darauf mit Bestürzung. Denn die meisten von ihnen sind mit dem Gesetz auf gutem Fuß und bisher korrekt behandelt worden. Kehrt künftig Mißtrauen und Angst zwischen Schwarz und Weiß ein? Die Kirchenzeitung befragte den Studenten Patrick Addai aus Ghana, den Linzer Kaplan Raymond Idiong aus Nigeria und den Journalisten Simon Inou aus Kamerun über ihre alltäglichen Erfahrungen als „schwarze Männer“ in Österreich. Patrick Addai (29) lebt als Student in Linz. In seiner Heimat Ghana, beim Volk der Ashanti, ist er ein Prinz. In Österreich ist er ein Märchenprinz, denn neben seinem Studium spielt Patrick Theater und erzählt österreichischen Kindern afrikanische Märchen. Schulklassen spitzen die Ohren, wenn er erzählt und für sie trommelt. Es kommt auch vor, daß Kinder sich vor Patrick fürchten. „Das ist kein Problem für mich“, lacht der Ghanese. Auch daheim, in seinem Dorf laufen manche Kinder vor Angst davon, wenn ein Weißer kommt. Das sei immer so, wenn viele sich gleichen und einige Wenige sich unterscheiden. In London oder anderen Weltstädten, berichtet Patrick, sei das ganz anders: „Dort triffst du jede Minute einen Afrikaner!“ Für Patrick ist Selbstvertrauen eine wichtige Sache. Damit meistert er es, wenn andere sich vor ihm fürchten oder sich über ihn lustig machen. Ernste Konflikte oder rassistische Angriffe hat er bis jetzt nicht erlebt. Wenn er mit der Polizei zu tun hatte, verhielten sich die Beamten stets korrekt. Einmal nahm ihn sogar ein Streifenwagen mit, weil ein Kollege eine Verabredung vergessen und Patrick keine Fahrgelegenheit hatte.
Visa sind kaum zu kriegen
Der Kaplan der Linzer Pfarre St. Antonius kommt aus Nigeria. Seit drei Jahren arbeitet Raymond O. Idiong (46) als Priester in der Pfarre mit. Raymond lebt gerne in Linz, auch wenn er spürt, daß die Menschen recht unterschiedlich auf ihn reagieren. „Einige haben schon ein Problem mit mir. Vielleicht ist das aber weniger wegen meiner Hautfarbe, sondern weil sie glauben, daß Österreich nun ein Missionsland werden soll“, so der Priester. Als Krankenhausseelsorger schlug ihm mehrmals starke Ablehnung entgegen, ansonsten fühlt er sich gut akzeptiert. Furcht kennt der schwarze Priester nicht: „Die Jugendlichen in meiner Pfarre spüren, daß ich sie mag und sie mögen mich.“ In der Pfarre fühlt er sich in vielen Familien zuhause. Da macht es ihm auch nichts aus, wenn er von Zeit zu Zeit von der Polizei nach seinen Papieren befragt wird. Bisher waren alle Beamten dabei ganz freundlich. Schwieriger ist die Einladung an nigerianische Freunde, ihn doch in Österreich zu besuchen. Für Nigerianer, selbst für geweihte Priester, ist nur sehr schwer ein Visum zu bekommen. Leidet der Kaplan eigentlich unter der Verkürzung, daß die meisten Nigerianer Drogendealer seien? Raymond warnt vor Verallgemeinerung und vor der Ausländerfeindlichkeit, die aus solchen Vorur- teilen entsteht. Er versteht auch die Aufregung um nigerianische Drogendealer nur teilweise: „Diese Leute reisen ja nicht als Dealer ein, sondern sie werden es erst hier. Wenn es keinen Markt gäbe, wären sie keine Dealer.“
Ein Afrikaner in der Oper
Als der aus Kamerun stammende, in Wien lebende Journalist Simon Inou (27) kürzlich nach Linz fuhr, verglich er die oö. Landeshauptstadt mit Wien. Sofort fiel ihm auf, daß in Linz viel weniger Afrikaner auf den Straßen zu sehen sind und daß – als Folge davon – sich die Leute nach Schwarzen umdrehen. Simon berichtet von bohrenden Blicken und änsgtlichen Augen. Ähnliches hatte er vor Monaten in der Staatsoper erlebt. Simon: „Als ich eintrat, trafen mich zahlreiche Blicke. Ich verstand zuerst nicht warum. Vielleicht weil ich der einzige Schwarze war? Später wurde es mir klar: Ich trug meinen steirischen Trachtenjanker, den ich seinerzeit bei der Caritas gekauft hatte. Diese Blicke, die mich ständig musterten, ließen mich intensiv über meine Jacke nachdenken.“ Fast vier Jahre lebt Simon nun schon in Österreich. Es fällt ihm noch immer schwer, die kulturellen Unterschiede auszuhalten. Aber er sagt über sich, daß er weiter daran arbeiten will, das „Andere“ zu akzeptieren. Vielleicht könnten Österreicher/innen von diesem Vorsatz lernen.