18.04.2000 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Nora Bösch
Wir sind von Gott samt unseren Schwächen und Fehlern unwiderruflich angenommen, bejaht, geliebt und bei ihm geborgen.
„Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ (Röm 8, 31). Dies ist die Erfahrung von Paulus, der zuerst die Christen verfolgt hat und dann, nach seiner Bekehrung, selbst angefeindet und verfolgt wurde. Er hat in der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus erfahren, dass er von Gott unwiderruflich angenommen ist. Diese Freude über die Treue Gottes hat Paulus die Kraft gegeben, sich für den Glauben und seine Schwestern und Brüder einzusetzen. Die vergangenen Wochen haben vielleicht die Augen für diese geschenkte, unwiderrufliche Liebe Gottes aufgehen lassen. Im Hören und Sehen, im Riechen und Schmecken ist der Reichtum der Schöpfung erfahrbar geworden. Im Spüren und Wahrnehmen war Platz für die Begegnung mit eigener und fremder Schuld. Die Einladung zur Versöhnung war auch eine Einladung zur Versöhnung mit sich selbst: Gott liebt mich, so wie ich bin. Deshalb darf auch ich mich so annehmen. Und im Reden und Handeln war die Antwort gefragt: Kann auch ich gehen und versuchen, diese bedingungslose Liebe Gottes weiter zu schenken?
Keine Supermenschen
Der Auferstandene hat seine Sendung nicht irgendwelchen „Supermenschen“ anvertraut: Die Jünger zweifelten an der Botschaft der Frauen, dass er lebt. Die Emmausjünger erkannten ihn nicht, als er mit ihnen ging. Und Petrus, der ihn verleugnet hatte, wurde beauftragt, sich um die entstehende Kirche zu kümmern. Er vertraut seine Sendung auch uns heute an: Wir müssen nicht perfekt sein. Es genügt, wenn jede und jeder versucht, durch das eigene Leben diese Liebe Gottes zu den Menschen sichtbar zu machen.
Geistliche Übung
Gottes Weg mit mir Da gehen sie erst wie blind neben ihm her, und als sie ihn erkennen, ist er schon wieder entschwunden.Es geht uns oft wie den Emmausjüngern. So wie sie habe ich vielleicht in den vergangenen Wochen selbst entdeckt, dass Jesus in meinem alltäglichen Leben oft der Verborgene, aber auch der Mitgehende ist. Ich kann das in einer Übung noch einmal anschauen.
- Auf ein Blatt zeichne ich meinen Lebensweg. Ich kann besondere Erlebnisse hineinschreiben oder mit Farbe gestalten. Ich lasse mir gegenwärtig werden, wie ich Gott in diesen Erlebnissen erfahren habe. War er überhaupt erfahrbar? Oder erst im Nachhinein? Wie hat sich diese Erfahrung mit Gott auf meinen weiteren Weg ausgewirkt?
- Ich kann meinen Weg ein Stück weiterzeichnen und versuche zu benennen oder mit Farbe zu gestalten, was auf mich zukommen wird. Einiges wird schon recht klar sein. Anderes ist vielleicht erst eine Ahnung.
- Ich spüre nach, wie ich mit meiner Zukunft vor Gott da bin. Habe ich das Vertrauen, dass er mit mir gehen wird, durch das, was mich jetzt ängstigt und auch durch das, auf das ich mich freue? Kann ich sagen wie Paulus: „Ich bin gewiss, nichts kann mich trennen von der Liebe Gottes.“
- Ich versuche, diesen Weg auch noch einmal von Jesus her anzuschauen. Wohin möchte er mich senden? Wo könnte ich meine Fähigkeiten und Gaben für die Menschen einsetzen?
Die Sinne offen halten
Wenn ich in den kommenden Wochen durch den Alltag gehe, kann ich versuchen, offen zu bleiben für Personen und Ereignisse um mich herum. Dann und wann für einen Augenblick wenigstens still werden, innehalten, bewusst auf ein Geräusch hören, auf eine Stimme – meine Umgebung, die Natur oder ein Kind mit wachen Sinnen sehen und wahrnehmen. Dem Geschmack eines Schlucks Wasser nachspüren...Und ich kann schauen, wo ich mich und meine Talente einbringen kann, wo ich durch mein Tun für andere das Da-Sein Gottes erfahrbar machen kann.