„Wir bereiten den Boden“ heißt das Motto zum Weltgebetstag um geistliche Berufe am 14. Mai. Wir sind mitverantwortlich für das Erdreich, in das der Same des Wortes Gottes fällt.
Am Ostersonntag kam ich in einem gemütlichen Berggasthof in Tirol mit einigen Gästen ins Gespräch. Es dauerte nicht lange und wir wussten voneinander, woher wir kamen, wie wir heißen, was wir beruflich tun.Ich erwähnte, dass ich im Bereich Berufungspastoral tätig bin. Wie oft in solchen Situationen wurde ich sofort gefragt: „Berufungspastoral – was ist das?“ Und es wiederholte sich die häufige Erfahrung, dass beim Gespräch über „Berufung“ und „Seelsorge“ in der Austauschrunde eine dichte Aufmerksamkeit entsteht.
Sich selbst entfalten
„Berufung“ gehört längst nicht mehr nur zur kirchlichen Fachsprache. Psychologie- und Wirtschaftsmagazine widmen sich in Leitartikeln diesem Thema. Es wird auf Seminare und Workshops hingewiesen, in denen das „Persönlichkeitsprofil“, die „Kernkompetenz“, das „persönliche Potential“ entdeckt werden können zur „kreativen Lebensplanung“. Es wird dazu angeregt, das Leben zu einem „einmaligen Kunstwerk“ werden zu lassen, um so seine „wahre Bestimmung“ zu finden. Eine religiöse Sprache klingt an. Aber ist hier mit „Berufung“ das Gleiche gemeint wie in der Sprache der Bibel?
Die Beziehung zählt
Im Neuen Testament bedeutet „Berufung“ jemanden mit Namen rufen, jemanden namentlich einladen. Der Rufende ist Gott durch Jesus Christus. Er ruft Menschen in seine Nähe „ohne Ansehen der Person“. Jesus lädt zu einer persönlichen Beziehung ein, als Freund. Die Beziehung, nicht die Kompetenz, nicht das Profil, nicht Rang oder akademischer Titel, nicht der zukünftige Auftrag etc. stehen an erster Stelle.Die wachsende Vertrautheit mit Christus verändert das Leben. Christus führt Menschen aus der Wertordnung des Selbsterhaltes, des Machtkampfes und der Konkurrenz in eine neue Wertordnung der Anteilnahme, der Aufrichtigkeit und Liebe. Jede/r von uns ist eingeladen, entsprechend dem eigenen Charisma diese neue Wert- und Weltordnung mitzugestalten. Die Bibel nennt sie „Reich Gottes“, „neuer Himmel und neue Erde“. Es gibt Menschen, die schon jetzt ihre Erfüllung aus dieser Zukunft beziehen und sich mit ihrer ganzen Existenz dafür einsetzen, dass sie für alle Wirklichkeit wird.
Auf dem Weg begleiten
Der Begriff „Pastoral“ kommt von „Pastor“. Das bedeutet „Hirte“. Bei uns sind echte Viehhirten selten geworden. Ich hatte das Glück, einen der wenigen persönlich kennenzulernen. Er war gütig, aufmerksam und gelassen. Nicht zuletzt seinetwegen verstehe ich, dass Hirten als Vorbild für alle gelten, die andere auf dem Weg des Christwerdens begleiten (sollten): Eltern, die bei der Taufe ihres Kindes versprechen, das Kind zum Glauben an Jesus Christus hinzuführen, christliche Gemeinden und christliche Pädagogen/innen, welche die Eltern bei ihrer Aufgabe unterstützen, Seelsorger/innen mit geistlicher Erfahrung, die jungen Erwachsenen bei der Klärung ihrer Lebensgestaltung aus dem Glauben helfen.
Bündnis für Berufung
„Berufungspastoral“ ist kein exotischer Luxus, den sich die Kirche leistet und sie ist auch nicht eine Sache von „Einzelkämpfern“. Vielmehr sollte sie immer mehr eine koordinierte Zusammenarbeit der Familien, Pfarrgemeinden und Schulen, der ganzen Diözese, jedes Priesters und jeder Ordensperson werden – und dies für alle Berufe und in jeder Lebensphase. In der Diözese Innsbruck wird deshalb an einem „Bündnis für Berufung“ gearbeitet. Teams von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern/innen sollen in allen Dekanaten zugunsten einer „Kultur der Berufung“ tätig werden. Gemeint ist eine Kultur der Öffnung auf Leben und Lebenssinn. Sie bezieht sich auf Werte wie Dankbarkeit, Ehrfurcht, Vergebung, Sensibilität für das Geheimnis und für das Heilige. Diese „Kultur“ wird heute womöglich das erste Ziel der Berufungspastoral sein müssen.
Quelle jeder Berufung
Papst Johannes Paul II. lenkt in seiner Botschaft zum Weltgebetstag um geistliche Berufe den Blick auf die „Eucharistie als Quelle jeder Berufung und jedes Dienstes in der Kirche“: „Beim Empfang der Eucharistie entdecken einige, dass sie berufen sind, Diener des Altars zu werden; andere entdecken, die Schönheit und Tiefe dieses Geheimnisses zu betrachten; andere entdecken, den Anstoß der Liebe an die Armen und Schwachen weiterzugeben; wieder andere entdecken, daraus die verwandelnde Kraft für die Gegebenheiten und die Gesten des Alltagslebens zu sammeln. Jeder Gläubige findet in der Eucharistie nicht nur den Schlüssel zum Verständnis der eigenen Existenz, sondern auch den Mut, diese in Tat umzusetzen, um so in der Verschiedenheit der Charismen den einen Leib Christi in der Geschichte aufzuerbauen.“