Der Grenzübergang Spielfeld (Steiermark) hat Nickelsdorf als „Hotspot“ der Flüchtlingswanderung abgelöst. Über den Zaun, der dort errichtet werden soll, und die weitere Entwicklung spricht der steirische Caritas-Direktor Franz Küberl im Interview.
Wie stellt sich für Sie die Lage in Spielfeld dar? Küberl: Dort drängen die Flüchtlinge an die Grenze beziehungsweise werden von den slowenischen Behörden dorthin gebracht. Im Vergleich zu Nickelsdorf (Burgenland) ist es in Spielfeld enger. Es herrscht bei allen hochgradige Nervosität: bei den Flüchtlingen, die Angst haben, nicht weiterzukommen; aber auch Einsatzkräfte, Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer sind ungeheuer angespannt.
Was tun Caritas und andere Organisationen? Küberl: Die Caritas ist mit Dolmetschern vor Ort, die für die Weitergabe von Informationen sehr wichtig sind – von der Unterbringung der Menschen in Zelten bis zur Weiterreise mit den Bussen. Es gibt Notfallpakete mit Decken und Ähnlichem. Im Camp hat das Rote Kreuz die Einsatzleitung, die Menschen bekommen zu essen. Eine Schwierigkeit ist, dass viele nicht in die Zelte wollen, weil sie Angst haben, Busse zu versäumen. Zum großen Teil werden die Menschen dann in Transitunterkünfte vor allem in Kärnten, Salzburg und Oberösterreich gebracht.
Das Innenministerium will bei Spielfeld einen Zaun errichten. Was halten Sie davon? Küberl: Zäune sind in Wirklichkeit eine Vorspiegelung falscher Tatsachen: Sie schützen nicht in dem Ausmaß, wie sie das vorgeben. Sie sind auch keine Lösung des Problems: Ungarn hat mit dem Zaun die Flüchtlinge nur anderen zugeschoben. Das ist die Blamage der Solidarität in der EU. Jeder Zaun, der errichtet wird, fordert nur die Errichtung weiterer Zäune heraus. Der Kern einer Lösung ist, dass der Krieg in Syrien ausgetrocknet werden muss. Nun sind wieder tausende Menschen aus Aleppo und Homs geflohen, weil Russland jetzt mitschießt. Wenn Länder, die Zäune aufstellen, wenigstens gegen den Waffenhandel auftreten würden und dagegen, dass der „Islamische Staat“ Öl verkauft, dann wäre ein bisschen Wille zu erkennen.
Wie geht es den Caritas-Organisationen am Westbalkan mit der Flüchtlingskrise? Küberl: Sie sind gewaltig unter Druck, auch weil sie kleinere Organisationen sind. Wir sind mit den Kollegen in Slowenien und Kroatien und in der Diözese Szombathely (Ungarn) in Kontakt. Die Caritas Szombathely hilft, auch wenn die Flüchtlinge jetzt nicht mehr durch Ungarn reisen. Sie hat Helferkleidung und Äpfel nach Slowenien gesandt.
Viele Österreicher fragen sich: Wie geht‘s weiter? Küberl: Es gibt keine schnelle Antwort. Natürlich kann Österreich nicht alles Leid des Nahen und Mittleren Ostens schultern. Derzeit teilen wir uns die Aufgabe mit Deutschland oder Schweden. Ich hoffe, dass endlich eine Verteilung der Flüchtlinge in Europa ins Rollen kommt. Es ist auch eine Frage, ob die USA sich hier nicht engagieren müssten. Brasilien und Venezuela haben erkennen lassen, dass sie Flüchtlinge aufnehmen könnten. Mit der Türkei wird man nicht nur über Geld reden müssen, damit sie die Flüchtlinge behält, sondern darüber, wie man die Krise vernünftig bewältigt. Aber es bleibt dabei: Es braucht Frieden, damit in Syrien ein paar Millimeter Zukunft entstehen.