16. April 1994 – Bischof Reinhold Stecher spricht vor Spar-Kaufleuten aus ganz Österreich zum Ethos, zur Moral des Kaufmanns. Im Folgenden Zitate aus seinem Vortrag.
Nachdrücklich unterstreicht Bischof Stecher die Notwendigkeit und Vielschichtigkeit des Handels: Ohne Handel ist ein höher entwickeltes Wirtschaftsleben undenkbar. Mit der menschlichen Kultur ist der Handel da ... Der Handel musste und muss die Brücke vom Produzenten zum Verbraucher schlagen, und diese Brücke ist eine komplizierte Konstruktion, die auf vielen Pfeilern ruht. Da ist also die Verteilerfunktion, dann die Kreditfunktion, weil die Ware ja lagern muss, bis sie jemand kauft, dann die Preisausgleichsfunktion, wozu Wettbewerb, Lagerhaltung und Auswahl beitragen. Und so wird der Handel eine echte Arbeit, die den Wert der Ware vermehrt und die dem Menschen dient. Wenn es den Handel nicht gäbe, hätte ich heute früh schon für mein Frühstück eine kleine Weltreise machen müssen, um die Dinge beim Erzeuger zu holen.
„Dienst am Menschen“
Daraus, dass der Handel ein Dienst am Menschen ist, bezieht (der Handel) seine Existenzberechtigung und damit auch sein Ethos. Er wird problematisch, wenn er den Dienst am Menschen verlässt. Redlich Handel zu betreiben ist aber ein höchst ehrenwerter Beruf.
Der Bischof benennt dann positive Folgen des Handels in Geschichte und Gegenwart: Der Handel ... ist einer der äl-testen Brücken- und Straßenbauer der Menschheit. (Es) steht außer Zweifel, dass der Handel Frieden schafft und Frieden braucht. Wenn sich Tyrannen und Diktaturen noch so abgeschottet haben, dem Händler mussten sie eines Tages doch die Türen öffnen ... Während oben noch manche mit Fäusten bei starken Reden auf die Pulte dreschen, ist der Händler schon längst im Geschäft. Und so ist mit einer Blüte des Handels oft auch ein Stück Friedenshoffnung verbunden.(Die vielen Brücken und Stra-ßen des Handels) bedeuteten immer auch kulturellen Austausch. Der Handel hat immer an der einen großen Welt genäht.
Initiative ist unentbehrlich
Dem Erwerbstrieb und der Verantwortungsfreude schreibt Bischof Stecher große Bedeutung zu: Der Erwerbstrieb des Menschen ist zweifellos ein gewaltiger Impuls ... Am Ende dieses Jahrhunderts wird besonders deutlich, was geschieht, wenn dieser Erwerbstrieb unterdrückt wird, und was geschieht, wenn er aus-ufert. Die marxistischen Staaten haben wirtschaftlich versagt, aber die USA haben auch 34 Millionen Arme und Ärmste. Aber eines ist sicher: Initiative und Verantwortungsfreude sind für jede Höherentwicklung des menschlichen Lebens unentbehrlich.Natürlich gebe es im Handel auch gefährliche Seiten bis hin zu Ausbeutung und Kriminalität, betont der Bischof. Als „ethisch fragwürdige Sache“ bezeichnet er u. a. auch den gegenwärtigen Trend zu Großeinkaufszentren, die alle kleineren Geschäfte niederkonkurrenzieren: Was heißt das, wenn wieder einmal der letzte Laden im Dorf schließen muss? Was tun die alten Leute und die Rentner und die vielen, die halt nicht motorisiert sind und zum Großeinkauf fahren können? Mit dem Laden geht in vieler Hinsicht ein Stück Dorfqualität verloren. Und vor allem, wenn wir jetzt an die Grundfunktion des Handels zurückdenken, nämlich die Brücke zwischen Erzeuger und Verbraucher zu schlagen: Hier wird diese Brücke nicht mehr geschlagen. Sie wird zerstört, und zwar mit einer Gewinnmaximierung zu Ungunsten Schwacher.
Der Götze Mammon
Das Geschäft verleitet dazu, alles nur noch vom Standpunkt der Kosten-Nutzen-Rechnung zu betrachten, alle Werte, Familie und Gemüt, Erholung und Gemeinschaftsleben, Erziehung und Religion. Wenn das alles untergeht, ist der Götze Mammon geboren. Er wisse sehr genau, dass das Geschäft „keine Wohltätigkeitsveranstaltung“ ist, sagt der Bischof gegen Ende seiner Rede. Umso erfreulicher sei die „uralte Tradition“ des Kaufmannswesens, einen Teil seiner Einnahmen sozialen und kulturellen Zwecken zukommen zu lassen. Für diese Bereitschaft gelte es vielen aus dieser Berufsgruppe zu danken.