Nun ist es offiziell. Die erste freie Wahl nach 25 Jahren in Myanmar hat die Oppositionspartei „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) von Aung San Suu Kyi mit absoluter Mehrheit gewonnen. Die Friedensnobelpreisträgerin gilt als große Hoffnung auf einen Wandel in Richtung Demokratie im Land – vor allem für die ethnischen Minderheiten, in deren Regionen immer noch bewaffnete Konflikte herrschen.
Ja, es gibt Hoffnung. Aung San Suu Kyi hat gewonnen. Sie ist ein Lichtblick für viele Menschen in Myanmar. Die jahrzehntelange Herrschaft des Militärs wurde 2011 zwar beendet – formal ist seither eine zivile Regierung unter Präsident Thein Sein an der Macht. Doch die „Junta hat im Hintergrund nach wie vor die Zügel in der Hand“, sagt Maw Moebu. Die Burmesin ist Krankenschwester und Leiterin des Projektes Mobile Kliniken in Kaya State. Sie meint, „Aung San Suu Kyi könnte einen demokratischen Neubeginn im Land schaffen“.
Kämpfe
Doch zunächst ist da erst einmal die Hoffnung. Denn seit der Unabhängigkeit Myanmars von Großbritannien im Jahr 1948 gibt es bewaffnete Konflikte im Land, die bis heute andauern. Rebellengruppen der unterschiedlichen ethnischen Minderheiten kämpfen gegen die Armee der Regierung für ihre Rechte auf Autonomie, die 1947 vertraglich geregelt wurden. Die Auseinandersetzungen finden vor allem in den Regionen dieser ethnischen Minderheiten im Osten des Landes statt. Insgesamt gibt es in den sieben „ethnischen Staaten“ Myanmars 135 verschiedene Volksgruppen. Auch seit dem Reformprozess 2011 hat sich ihre Lage nicht verbessert. Primär „in den Gebieten der Shan und Kachin kommt es immer wieder zu Kämpfen, Landenteignungen, Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen und Ermordungen“, sagt Maw Moebu. Warum? Diese Regionen sind reich an begehrten Rohstoffen wie Edelhölzer, Gold, Edelsteine und Erdgas. Darauf will die burmesische Regierung nicht verzichten.
Flucht
Auch im Karenni State, der 1951 in Kayah-State umbenannt wurde, sind die Truppen des Militärs präsent und liefern sich mit der Rebellenorganisation „Karenni National Progressive Party“ nach wie vor Gefechte. Die Menschen, die dort leben, haben große Angst. Und siedeln sich in immer höher gelegenen Bergregionen an, um der Militärjunta zu entkommen. Maw Moebu ist selbst eine Karenni. Sie weiß, was es heißt, zu fliehen. Wie so viele andere Minderheiten hat auch sie und ihre Familie durch die Truppen der Regierung ihr Zuhause verloren, sie musste ihr Heimatdorf verlassen und flüchtete schließlich in ein Lager nach Thailand.
Erinnerungen
Vier Jahre hat die Burmesin in dem Flüchtlingscamp verbracht. „Dort gab es keine Schulen, keine Arbeit. Du lebst deprimiert vor dich hin. Ich war ein Teenager, 15 Jahre alt, alleine, ohne Familie, da wir im Zuge der Flucht auseinandergerissen wurden. Das war hart. Hoffnungslos. Aber im Flüchtlingslager haben wir uns gegenseitig unterstützt und geholfen, wo es nur ging. Wir waren eine Art Familie. Jeder dort hat ein ähnliches Schicksal durchgemacht. Aber das Leben im Lager ist wie eine Art Hausarrest. Es ist nicht erlaubt zu arbeiten, es ist nicht erlaubt das Camp ohne weiteres zu verlassen, du kannst dich nicht frei bewegen“, schildert Maw Moebu ihre Erinnerungen an diese schwierige Zeit.
London
Mit 19 Jahren kam sie im Zuge eines Programms für burmesische Flüchtlinge nach Großbritannien. Die junge Frau ging zur Schule, lernte Englisch, absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester, studierte und war in verschiedenen Burma-Kampagnen aktiv. Eine lehrreiche Zeit, wie sie sagt, in der sie auch viel über die Situation und Hintergründe in ihrer Heimat und über ihr Volk erfahren hat. Einige Jahre arbeitete Maw Moebu als Krankenschwester in einem Hospital in London, jener Stadt, wo sie derzeit auch lebt.
Kliniken
Seit 2014 kehrt sie regelmäßig in ihre Heimat zurück. „Ich habe meine eigene mobile Klinik errichtet. Damit können mein Team und ich eine Basisgesundheitsversorgung in entlegenen Regionen Myanmars bieten. Die meisten Dörfer, in denen die Karenni, die mehrheitlich Christen sind, leben, liegen hoch oben in den Bergen und sind sehr schwer zu erreichen. Grund dafür ist, dass sie wegen der Attacken der Militärjunta, die ihre Dörfer niedergebrannt und sie vertrieben haben, in immer höhere und unwegsamere Lagen flüchten“, erzählt die Krankenschwester. Um drei Dörfer zu besuchen, brauche sie zu Fuß zwei Wochen. Neben der mobilen Klinik gibt es auch eine feste Zelt-Ambulanz. In dem Gebiet mit 256 Dörfern werden insgesamt 55.000 Menschen von einem 120-köpfigen medizinischen Personal betreut. Maw Moebus Klinik ist Teil eines großen Projekts mit mehreren mobilen Kliniken. Unterstützt wird es u. a. von der Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar.
Vernachlässigt
„Das Leben der Menschen in den Bergen ist schwer, sie haben keine Zukunftschancen. Es gibt keine Schulen, keine Krankenhäuser, keine Straßen, keine Zeitungen, kein Radio, kein Internet. Sie werden von der Regierung vernachlässigt. Die Leute sind traurig, sie wollen einen Wandel, sie wollen Frieden, sie sehnen sich nach einer besseren Zukunft. Den dringend notwendigen Dialog auf Augenhöhe zwischen den unterschiedlichen ethnischen Bevölkerungsgruppen, der Regierung und dem Militär hat es bisher nie gegeben“, kritisiert die Burmesin. Ebenso blieben die Bemühungen um Waffenstillstand in vergangenen Zeiten stets erfolglos und auch das im Oktober zwischen der Regierung Myanmars und acht von insgesamt 15 Milizen unterschiedlicher Minderheiten unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen beurteilt Maw Moebu als „Show“. Eine friedliche Beilegung des Konflikts sei nur möglich, wenn alle Milizen dem Abkommen zustimmen würden, wenn die Regierung ihre Truppen endlich abziehen würde, in Folge ein nachhaltiger Dialog in Gang käme und die Verfassung überarbeitet werde.
Große Erwartungen
Die Partei Aung San Suu Kyis kann nun bestimmen, wer nächster Präsident wird. Die Friedensnobelpreisträgerin darf dieses Amt allerdings nicht antreten. Laut Verfassung ist es Staatsbürgern mit ausländischen Angehörigen nicht gestattet für das Präsidentenamt zu kandidieren. Aung San Suu Kyis verstorbener Mann war Brite und auch ihre beiden Söhne haben die britische Staatsbürgerschaft. Doch sie will, laut Medienberichten, die Regierung anführen und werde sich nicht daran hindern lassen, alle Entscheidungen zu treffen. Vor 25 Jahren war ihr das nicht möglich. Bereits damals hat ihre Partei die Wahlen gewonnen; doch das Militär weigerte sich, das anzuerkennen. Es folgten viele Jahre, die sie in Hausarrest verbringen musste. Das ist Vergangenheit. Nun feiert Aung San Suu Kyi einen großen Erfolg. Ob sie den Weg zu Frieden und Demokratie ebnen kann, wird sich erst zeigen. Die Erwartungen der Menschen an sie sind hoch.