Wo kommt der Name Reisinger her? Warum gibt es so viele Namen mit -müller? Können Namen den eigenen Lebensweg beeinflussen? Zu Besuch bei den Namensforschern Karl Hohensinner und Bertold Wöss.
Eines vorweg: Ein Gespräch mit Karl Hohensinner und Bertold Wöss ist sehr unterhaltsam. Umso ernsthafter widmen sich die beiden Wissenschafter der Orts- und Familiennamenforschung. Dafür durchforsten sie alte Kirchenbücher und das Internet. Sie schauen darauf, wie sich Namen im Laufe der deutschen Sprachentwicklung verändert haben. Sie machen Abstecher in die Naturwissenschaft und befragen mittels einer Kartierungssoftware die Einwohnerdaten von Gemeinden. So können sie Namen und ihre Herkunft deuten. Unsicherheiten aber bleiben.
Listig wie ein Fuchs
„Wir würden gerne sagen, jemand heißt Fuchs, weil sein Vorfahre rote Haare hatte und ein listiger Geselle war. Aber so einfach ist das nicht“, sagt Karl Hohensinner. Denn als nach dem Dreißigjährigen Krieg Mitte des 17. Jahrhunderts Familiennamen festgelegt und bei Taufe, Eheschließung und Tod aufgezeichnet wurden, spielten die Eigenschaften von Personen keine Rolle. Deshalb läßt sich auch nicht feststellen, ob zum Beispiel die Namen Hurnaus, das alte Wort für Hornisse, oder Wöss für Wespe etwas über den Charakter der ersten Namenträger aussagen. „Wir wissen nur, dass diese Namen um Rohrbach gehäuft vorkommen“, sagt Bertold Wöss. Der Sprachwissenschafter ist gemeinsam mit Karl Hohensinner den oberösterreichischen Namen auf der Spur, die auf -inger beziehungsweise auf -müller enden. Bertold Wöss hat 270 Namen von Mühlen zusammengetragen, von denen die Müller-Namen abstammen könnten. Ziel der Namensforschung ist aber nicht, jeden einzelnen Namen auf seine Herkunft zu untersuchen. Karl Hohensinner möchte ein Muster für Namen und ihre Untertypen entwickeln. Dann sollen auch Laien ihren Stammbaum wissenschaftlich fundiert erforschen können.
Berufs- und Wohnstättennamen
Fundiert erforschen heißt, den Namen nicht in der heutigen Schreibweise anzuschauen, sondern möglichst die Ursprungsform aus der Zeit um 1650 zu finden. Der Name wird dann anhand von Kriterien wie „Berufsname“, „Herkunftsname“ oder „Wohnstättenname“ untersucht. Bei Namen auf -müller kann der Beruf eine Rolle gespielt haben oder eine Mühle als Wohnstätte. Die Herkunft von Reisinger – der häufigste Name auf -inger in OÖ – könnten Ortschaften mit der Bezeichnung Reisach, Reisert oder Reisöd sein. „Wir zeichnen den Familiennamen in eine Karte ein und suchen mögliche Ursprungspunkte wie einen Ort dazu. So kann man feststellen, ob es Häufungen eines Namens in diesem Areal gibt“, sagt Bertold Wöss. Ob sich an einem Ursprungspunkt nur ein Name bildet oder viele, hängt auch von der Genetik ab. Wer viele Söhne hatte, gab den Namen vermehrt weiter.
Der Name ist Programm
Spekulationen haben in der Namensforschung wenig Platz. Eines aber bemerkt Karl Hohensinner mit sichtlichem Vergnügen: Bei einem Augenarzt namens Augl oder einem Schotterwerksbesitzer Kiesling könnte der Familienname durchaus Programm für die berufliche Tätigkeit sein, sagt der Germanist: „Es ist möglich, dass sich Personen zu dem hingezogen fühlen, das ihr Name bedeuten könnte.“
Zur Sache
Familiennamen-Atlas und Verein
In seinem Familiennamen-Atlas hat Karl Hohensinner hunderte von Familiennamen von Aigner bis Zweimüller, ihre historischen Wurzeln und regionalen Besonderheiten zusammengetragen. Anhand von Karten wird ihre Verbreitung in Oberösterreich sichtbar. Bertold Wöss ist stv. Obmann von VESNA – Verein zur Erforschung von Sprache und Name in Österreich. Der Verein plant ein Angebot, Interessierte bei der Erforschung von Namen zu beraten. Karl Hohensinner, Familiennamen-Atlas von Oberösterreich. Namen und Berufe, Regional-Edition, 358 S., EUR 29,90. www.vesna.or.at