Genau abgewogen werden die Lebensmitteln, die man im Geschäft bekommt. Und wie ist es mit Zuwendung, Lob und Herzlichkeit? Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2015/49
01.12.2015
Zehn Deka von der Extrawurst, verlangt der Kunde, und es ist klar: Kein Gramm weniger darf es sein. Da nehmen die Leute es sehr genau. Gerechnet wird nach Gewicht, bezahlt auch. So ist es bei den Lebensmitteln, die man im Geschäft bekommt. Deshalb werden Waagen geeicht, dass es nur ja keinen Schwindel gibt. Aber nicht alles ist wieg- und messbar, und fällt doch sehr ins Gewicht. So ist es bei den Lebensmitteln, die die Seele nähren sollen. Zuwendung. Lob. Herzlichkeit. Trost. Ein kritisches Wort. Aufmerksammachen auf Fehler. Überhaupt: Aufmerksamkeit. Oder: Verzeihen. So sehr fallen diese Lebensmittel ins Gewicht, dass es dafür keine Gewichte gibt. Schwer kann man sagen: Es ist genug. Oder: Das ist zu viel. Deshalb nimmt man es oft nicht so genau damit. Trotzdem gibt es etwas, das einer Waage entspricht. Seine Skala muss man erst lesen lernen, und es braucht oft eine bessere Feinabstimmung. Es ist ein Gespür im Inneren, die Stimme, auf die man hören soll: das Gewissen. Zu viel? Zu wenig? Die Antwort liegt oft sehr nahe: in mir selbst. Man müsste dieser Stimme trauen, in einer Art Selbstvertrauen, das empfindsam für den Nächsten macht. Es geht ja nicht immer bloß um Extrawurst.