Der „Futterplatz“ Europa durchlebt ein Zerbrechen. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2016/04, Futterplätze, Leitartikel, Vögel, Kälte, Menschen
26.01.2016 - Matthäus Fellinger
Es ist schön, Vögeln zuzusehen, wenn sie vor dem Fenster um Futter streiten. Klar, dass man sich ihrer erbarmt, wenn es kalt ist und die natürlichen Futterquellen rar werden. Klar, dass man sich ihrer erbarmt. Das ist keineswegs mehr selbstverständlich, wenn es nicht um Vögel, sondern um Menschen geht. Wie rasch der Wind sich da dreht und die Kälte hereinzieht.
Da erzählte jüngst ein Meinungsforscher: Drei von vier Leuten schreiben Tieren eine Seele zu, aber nicht einmal die Hälfte der Leute glaubt an eine unsterbliche Menschenseele. Es ist gut, wenn man Tiere nicht als beliebig verfügbare Lebewesen betrachtet und wenn man achtsam mit den Geschöpfen umgeht. Tieren weh zu tun oder sie nicht artgerecht zu halten stößt auf Empörung. Wie seltsam, dass zugleich die Achtsamkeit für Menschen so löchrig wird. Allen Menschen möge es gut gehen soll nicht mehr gelten. Nur für eine festgesetzte Zahl – im offiziell leist- und verwaltbaren Ausmaß.
Der „Futterplatz“ Europa durchlebt ein Zerbrechen, das tief geht, eine Art Umerziehung der Seelen. Jetzt gilt ein Entschuldigungsgrund für Erbarmen. Und was sagte Jesus über die Sorge um die Vögel: „Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“