Haben es Christen schwerer, die Ehe zu leben. Oft wird diese Frage mit Ja beantwortet. Dabei sollte Glaube helfen.
Haben es Christen schwerer oder leichter, Ehe zu leben als andere? Auf diese Frage bekommt man oft die Antwort: Viel schwerer! Da stimmt doch etwas nicht, denn Glaube sollte nicht belasten, sondern hilfreich für ein sinnvolles, erfülltes Leben sein. Warum aber glauben heute so viele, dass gerade die kirchlich geschlossene Ehe so schwierig ist? Meiner Meinung nach schleppen wir aus der Vergangenheit Vorstellungen mit, die heute nicht mehr hilfreich, ja sogar belastend sind. Dabei ist es nicht die Botschaft des Evangeliums selbst, sondern die in der jeweiligen Zeit entstandenen Auslegungen.
Geist und Buchstabe
Gerade die Paulusbriefe, die viele praktische Lebensfragen der damaligen Gemeinden aufgreifen, was ist zeit- und gemeindebedingt, und was ist der Kern der Aussage, was der Buchstabe und was der Geist. Da schreibt Paulus z. B. im Epheserbrief (5, 22–33), dass der Ehemann seine Frau so lieben soll, wie Christus seine Kirche liebt. Für Paulus war das sicher der höchste Ausdruck der Liebe und das stärkste Bild, das er finden konnte, um diese Liebe zu beschreiben. Und er hat dabei sicher auch die damalige Gesellschaftsordnung im Kopf gehabt. Aber für uns werden diese Aussagen problematisch, wenn der Mann mit Christus, das heißt im Wortlaut dann auch, er ist untadelig und göttlich, und die Frau mit der Kirche verglichen wird, mit der es in ihrer heutigen Realgestalt ohnehin manche Christen schwer haben. Die Folge einer derartigen Interpretation ist dann ganz klar: die Frau hat dem Mann untertan zu sein, weil sie ja minderwertiger ist. Diese Auslegung, die bis heute zu hören ist, passt nicht und macht mich zornig, weil ich weiß, wie viel Frauen in der Vergangenheit auch aufgrund dieses Bildes leiden mussten. Die gottgewollte Gleichwertigkeit aller Kinder Gottes („es gibt nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau, alle sind gleich in Christus“ – Gal 3, 28 ) ist ja gerade die umwerfende Botschaft des Evangeliums. Die Heils- und Liebeszusagen Gottes machen keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Schon bei Jesaja heißt es: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Das heutige partnerschaftliche Eheverständnis, das auf der Gleichwertigkeit der Geschlechter beruht, entspricht der Botschaft Jesu mehr als eine Über- und Unterordnung. Jesus hat nicht ein bestimmtes Modell von Ehe und Familie geprägt und schon gar nicht das der bürgerlichen Ehe der gehobenen Mittelklasse der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sein Anliegen war die Beziehungs- und Bindungsfähigkeit und die Würde jedes Menschen als einzigartiges Kind Gottes.
Sehnsucht und Realität
Der Satz: „und sie werden ein Fleisch sein“ (Gen 2, 24 und mehrmals im NT wiederholt) ist uns im heutigen Sprachgebrauch fremd und wird oft missverstanden. Die Bindung, die in einer Beziehung wächst, meint etwas anderes als symbiotisch leben. Liebe, verstanden als Dauerverschmelzung, ist heute im roman- tischen Beziehungsideal weit verbreitet, aber schlicht und einfach nicht lebbar. Das entspricht zwar einer menschlichen Sehnsucht, aber diese Vorstellung gehört zu den unrealistischen, überzogenen Erwartungen, an denen heute viele Paare scheitern. „Individualität, Autonomie und Distanz sind nicht ein Gegensatz zur Liebe, sondern gehören zu ihr dazu“ (Jellouschek: „Die Kunst als Paar zu leben“).Die Kirche täte gut daran, im Interesse der Eheleute und der Ehe überzogene Vorstellungen nicht durch Idealisierungen noch zu überhöhen, sondern sie in die Realität des Alltags herunterzuholen. Auch der Satz „Die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält“ ist schön und hilfreich, wenn Liebe dabei mit all ihren Hochs und Tiefs, den oft ganz banalen Dingen und täglichen Kleinigkeiten verstanden wird und nicht im Sinne einer „Hochleistungsbeziehung“ mit anhaltenden euphorischen Liebesgefühlen.
Auferstehung und Ehe
Ein wirklich hilfreiches Bild hingegen ist uns in der Zentralbotschaft unseres Glaubens von Tod und Auferstehung geschenkt. Haben wir nicht alle schon erlebt, dass die erste Verliebtheit sterben muss, damit eine tiefere Liebe entstehen kann? Haben wir nicht alle in unserer Ehe die kleinen Tode gegenseitiger Verletzungen (absichtlich oder unabsichtlich) und hoffentlich auch darauf folgende Auferstehungen erlebt? Jede Versöhnung ist eine Art Auferstehung. Wenn wir uns diese hoffnungsvolle, wunderbare Botschaft bewusst machen können, dass Schlimmes wieder gut werden kann, dann können wir mit unserem kleinen und großen Versagen und Scheitern in unsrer Liebe besser umgehen und immer wieder miteinander ein Fest der Auferstehung feiern.
Luitgard Derschmidt
Berufen
Dr. Luitgard Derschmidt ist die Autorin der vierteiligen Reihe zum Thema „Berufung – aus der Sicht von Ehe und Familie“. Sie arbeitet seit 25 Jahren in der Ehe- und Elternbildung. Sie ist Präsidentin der Kath. Aktion in Salzburg und Bildungsreferentin des Forums „Beziehung, Ehe und Familie“ der Kath. Aktion Österreichs.
Anfragen: Dr. Luitgard Derschmidt, Kapitelplatz 6, 5020 Salzburg; luitgard.derschmidt@kirchen.net