P. Manfred Marent begleitet die jungen Kapuziner auf Madagaskar
Ausgabe: 2002/32, Madagaskar, Kapuziner,
07.08.2002 - P. Manfred M. Marent
Für den Kapuziner Manfred Marent war es ein Wunder, dass er nach Madagaskar geschickt wurde. Seit 1960 lebt der Vorarlberger auf der Insel vor der ostafrikanischen Küste.
Es war im Jänner 1960, als ich mich während der Exerzitien für die Mission gemeldet habe. Ich tat es, obwohl keinerlei Aussichten bestanden, überhaupt „gesendet zu werden“. Deshalb war es ein überraschendes Wunder, als es hieß, ich sollte gemeinsam mit Bischof Hermenegild Hintringer nach Madagaskar gehen. Der Oberösterreicher war 1953 aus der Mandschurei (China) ausgewiesen worden.Mein Leben im Dienste der Weltkirche hat meine Berufung geklärt und gestärkt. Ich erlebe sie heute, vielleicht noch intensiver als vor 50 Jahren, als besonderes Geschenk Gottes. Ich kann aber sagen: Diese konkrete Berufung hat mein Leben verändert. Denn als 30-Jähriger ist eine gewisse Anpassungsfähigkeit fast automatisch gegeben.
Schon im Juni 1960 erhielt ich in meinen Reisepass den Eintrag „séjour définitif“, die unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis für Madagaskar. Jener Insel, die 400 Kilometer vor der Küste Ostafrikas liegt. Hieß das kein Zurück mehr? Ade Europa? Lebt wohl, ihr meine Verwandten und Freunde? Manche haben es so ausgelegt.
Herausgefordert
Ich habe mich überraschen lassen und meinen Platz gefunden: im Landesinneren von Madagaskar, von bis zu 2000 Meter hohen Bergen umgeben, im subtropisches Klima, sechs Monate im Jahr von der Außenwelt abgeschnitten. In dieser 7000 Quadratkilometer großen Pfarre sollte ich Gesandter der Weltkirche sein für damals 300 Katholiken unter 40.000 „Heiden“. Wenn das keine Herausforderung ist! Ein erfahrener Missionar half uns beiden Neulingen. Wir übersetzten eine Malagasy-Grammatik aus dem Französisch auf Deutsch. Ich versuchte zu unterrichten und es ging jeden Tag besser. Besonders günstig waren die „Tournées“. So heißen hier die Pastoralbesuche. Eigentlich sind es bis zu 250 Kilometer lange Wanderungen über mehrere Wochen, bei jeder Witterung, über Berg und Tal, durch Flüsse und Dreck. Gleichzeitig bedeuten sie, das Leben mit den Menschen zu teilen: ihre eintönige Ernährung und auf dem Boden ihrer Hütten das Nachtlager aufzuschlagen. Man lernt sehr viel und vor allem die Leute schätzen, gewinnt ihr Vertrauen und wird familiär aufgenommen. Das ist der Zugang zur „fihavanana“, wie die Madegassen sagen – man „gehört dazu“. Gleichzeitig wächst die Erkenntnis, wie man sich um die Seelen dieser sympathisch einfachen, schlichten und natürlichen Menschen sorgen könnte.
20 Jahre war ich in dieser Pfarrei. Gemeinsam mit meinen Mitbrüdern und mit der Hilfe unserer Brüder und Schwestern in Europa konnte ich viel Gutes wirken. Und die Zahl der Christen hat sich verzehnfacht. Mittlerweile sind aus dieser Pfarre an die zehn Welt- und Ordenspriester und rund 15 Ordensschwestern hervorgegangen. Das ist sehr erfreulich, ich danke dem Herrn! Seit nunmehr zwölf Jahren bin ich in der Berufungspastoral tätig. Zurzeit begleite ich unsere jungen Kapuziner, die sich hier in Fianarantsoa ein Jahr lang auf die ewigen Gelübde vorbereiten. Das Einfühlen in die Berufungsgeschichte der einzelnen Mitbrüder, bisher waren es rund 175, erfüllt mich mit Staunen. In den Geschichten anderer erkenne ich manches wieder. Der Herr ruft jeden mit Namen, kennt jeden Einzelnen, begleitet und führt ihn. Und ich durfte daran teilnehmen als Zeuge, Helfer und Ratgeber. Es sind „Rohdiamanten“, die noch geschliffen werden, Menschen, die vom Herrn selbst zu seiner Nachfolge gerufen und den „Begleitern“ anvertraut sind, sie zu führen und ihre Berufung zu stärken. Eine herrliche, aber äußerst verantwortungsvolle Aufgabe.
Blick in die Zukunft
Es besteht große Hoffnung, in Zukunft auf Madagaskar Priester und Ordensleute zu haben, die ihre Berufung ernst nehmen. Denn sowohl wir Kapuziner als auch in anderen Orden wird viel dafür investiert. Neben dem Gebet nimmt die zehn Jahre dauernde Ausbildung im Orden einen besonderen Stellenwert ein. Nur ein kleines Beispiel: Erst im März waren wir 15 Kapuziner für vier Wochen in verschiedenen Pfarren eingesetzt. Mir wurde bewusst, wie viel realistischer Idealismus in den jungen Mitbrüdern steckt, wie sie die Nöte der Menschen in allen Nuancen erleben. Gleichzeitig sind sie bereit, für die Kirche, für die Leib- und Seelsorge, für Frieden und Gerechtigkeit sich einzusetzen, an der es leider auf vielen Gebieten fehlt. Zurzeit stecken wir auf Madagaskar in einer sehr heiklen politischen Lage. Meine Mitbrüder sind bestens informiert, spüren, wo die Not am größten ist und, dass sie noch keineswegs in der Lage sind Lösungen vorzuschlagen. Meine Freude ist es das zu erkennen und dafür danken zu dürfen.