Über die Dampfplauderei in der Straßenbahn erzählt Ernst Gansinger in seinem neuen "Unter Uns"
Ausgabe: 2016/32
17.02.2016 - Ernst Gansinger
Die Straßenbahn ist das Gegenteil vom Beichtkammerl. In der Straba kommt es zu Massenverlautbarungen. Ohne an die Buße zu denken, werden dort Handys vollgesprudelt. Die Fahrgäste aber können nicht lossprechen von Gedanken, Worten und Werken, etwa: „Ich bin jetzt am Taubenmarkt, kannst die Suppe schon zustellen.“ – Welche Suppe, würde mich interessieren, wer wird sie auslöffeln? Die Bim ist ein Dampfbad, eine Dampfplauderei mit rascher Abfolge immer neuer Wortaufgüsse. „Haben wir noch Bier daheim?“ – Das ist jetzt sein Bier, denn das andere Ende hat schon aufgelegt. Eine Frau ist zu hören, die viel zu besprechen hat. Was, das geht im Umgebungslärm unter. Doch dann höre ich deutlich: „Uns geht’s gut.“ Der Gesprächspartner hat offensichtlich danach gefragt. „Uns geht’s gut“, sagt die Frau – und schiebt nach einer Kürzest-Pause nach: „so weit“. Was heißt „so weit“? Das dürfte das andere Ende nicht mehr interessiert haben; es bleibt unaufgelöst. – So weit es halt möglich ist? So weit man Auslauf hat? Wie weit? So weit kann auch ganz kurz sein. So weit bin ich das Gespräch mitgegangen, und jetzt steh ich verlassen da. So weit sind wir gekommen, dass wir mit „so weit“ alles und nichts sagen.