Über Menschen mit Haltung – oder: Menschen, die Halt gefunden haben. Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2016/24
14.06.2016 - Matthäus Fellinger
Manchmal trifft man einen. Unrasiert, ein wenig schlampig. „Er lässt sich gehen“, sagt man dann. Einer also, der nicht mehr selber geht, sondern dem „es“ nur mehr geht. Dahin irgendwie, ohne wirkliche Richtung. Ziellos. Im Grunde ein Mensch, der nicht viel auf sich hält. Er hat den Respekt vor sich selbst abgelegt – oder verloren. Traurig.
Äußerlich sind es die Bartstoppeln, das zerknitterte Hemd, die Speisereste am Sakko. Gravierender sind die inneren Spuren des Sich-gehen-Lassens: Wenn jemandem seine Haltungen gleichgültig geworden sind. Auf mich kommt es nicht an, sagt er dann. Es ist doch alles gleich. So oder so. Es kommt wie es kommt. Man kann eh nichts machen. So werden Menschen zum Treibgut. Zu Mitläufern. Zählen kann man auf sie nicht. Man trifft andere Menschen – mit Strahlkraft in den Augen, auch noch im hohen Alter, selbst mit körperlichen Beeinträchtigungen. Sie lassen sich nicht gehen, sie gehen. Menschen mit Haltung – oder: Menschen, die Halt gefunden haben.
Die Jahreswende steht bevor. Es geht nicht einfach nur immer dahin. Es geht auch bergab. Zu Ende. Zeit für einen Ruck. Nimm Haltung an. Lass dich nicht gehen. Gehe selbst. Gehe mit.