In und über Palästina wird viel gestritten, diskutiert und geredet, für die Menschen aber wenig getan. Anders Sr. HildegardEnzenhofer: Neben dem Haus für behinderte palästinensische Frauen, das sie im biblischen Emmaus-Qubeibeh führt, hat sie eine Pflegehochschule eröffnet.
Betritt man den Hörsaal der kleinen Fakultät, staunt man nicht schlecht: Da sitzen zehn muslimische junge Frauen – alle mit Kopftuch – gemeinsam mit sieben Männern in einem Raum. Und das in einer tief islamischen Gegend, wo zwei Schulgebäude in jedem Dorf selbstverständlich sind: eines für Buben und eines für Mädchen. Doch die im September 2007 eröffnete Ausbildung für Säuglingskrankenpflege der Salvatorianerschwestern ist anders und kommt einer Revolution gleich. Manche Väter meldeten ihre Töchter wieder ab, als sie vom gemeinsamen Unterricht erfuhren, in anderen Familien wissen die Väter noch nichts davon. „Mir war es wichtig, diesen Akzent zu setzen“, unterstreicht Sr. Hildegard und fügt lächelnd hinzu: „In der ersten Zeit wagten Männer und Frauen sich kaum anzuschauen, aber das hat sich sehr bald gelegt.“
Abgeschnitten vom Leben. Sr. Hildegard Enzenhofer erkärt die Hintergründe und Anfänge des Projekts: Obwohl nur wenige Kilometer von der wirtschaftlich boomenden Stadt Jerusalem entfernt, wird die Lage in den Dörfern rund um Emmaus – für mehr als 30.000 Menschen – immer trister. Durch den Bau der israelischen „Sperrmauer“ ist eine von Stacheldraht umgebene Enklave entstanden, die nur mit israelischer Erlaubnis verlassen werden kann. Und Genehmigungen gibt es wenige. Das heißt abgeschnitten sein von höheren Schulen, Spitälern und Arbeitsplätzen. In ihrer Not wandte sich die muslimische Bevölkerung an die Ordensfrauen. Die Salvatorianerinnen führen seit 1973 in Emmaus ein Alten- und Behindertenheim und genießen hohes Vertrauen. Da in der nahen Stadt Ramallah ein Kinderkrankenhaus gebaut wird, lag die Gründung einer Schule für Säuglingskrankenpflege nahe – eine Ausbildung, die es in ganz Palästina noch nicht gibt.
Not als Anruf der Vorsehung. Die Sehnsucht der Menschen nach einem Ausweg aus ihrer Not war für Sr. Hildegard ein Anruf der Vorsehung. Die Hilfe von oben konnte sie auch dringend gebrauchen: fehlendes Geld, keine Lehrpläne, fehlende Genehmigungen. Schließlich ist die kleine Fakultät doch in Betrieb gegangen. Die Einrichtung wird als Außenstelle der renommierten katholischen Universität von Bethlehem geführt und schließt nach vier Jahren mit einem Bakkalaureat ab. Der Abschluss ist weltweit anerkannt. Auf dieses hohe Niveau hat vor allem die Hamas-Regierung Wert gelegt, die bis vor wenigen Monaten im Amt war.
Stipendien sind notwendig. Mit der Eröffnung der „Faculty of nursing and health science“ ist es aber nicht getan. Nur 4 der 17 Studenten können sich die Studiengebühren leisten. Die Übrigen müssen ihr Stipendium von 650 Dollar pro Semester im Garten oder beim Putzen abarbeiten. „Wir haben bewusst Jugendliche aus den ärmsten Familien genommen. Denn nur Bildung verhindert, dass sich das Rad der Armut immer weiter dreht.“ Warum Sr. Hildegard sich neben ihrem Job als Leiterin des Alten- und Behindertenheims auch noch die Fakultät aufgehalst hat? – „Das Leben zu fördern gehört zur Spiritualität von uns Salvatorianerinnen. Jungen Menschen ein Ausbildung zu geben, ist ein großer Beitrag dazu.“