Da sitzen sie in der Kirche und beten: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater“. Bauer und Schuldirektorin, Handwerkerlehrling und Köchin. Pfarrer und Ministrantinnen auch. Glaube, in Sätze geformt. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2016/47, Glaubensbekenntnis
22.11.2016 - Matthäus Fellinger
Es gibt eine andere Art von Glaubensbekenntnis, das in keinem Gebetbuch steht. Beim Bauern ist es die Art, wie er seine Tiere hält und was er auf die Felder streut. Bei der Köchin, was im Abfallkübel landet. Beim Lehrling, wie genau er es mit der Ausfertigung des Werkstückes nimmt. Beim Pfarrer, wie er mit den Leuten umgeht.
Auch Handgriffe sind Glaubensbekenntnisse. Es ist die Zeit, die man gibt. Ein Gläubiger ist, wer gut mit den Dingen umgeht, die Gott einem in die Hand gegeben hat: achtsam mit den Geschöpfen, aufmerksam für Menschen, behutsam auch mit sich selbst. Gelegentlich formt man diese Bekenntnisse in Worte und Sätze, doch als Lippenbekenntnisse allein blieben sie leer. Das vielbeschworene christliche Erbe Europas: es zeigt sich in Landschaften, in denen das Leben Atem schöpft. Es zeigt sich in der Vielfalt des Lebens, in den Arbeitsbedingungen, in denen Menschen gerechten Lohn erhalten – und dass niemand allein bleibt, obdachlos gar. Selbst in Gesetzestexten müssten sie zu finden sein und in Handelsverträgen. Überall. Im ganzen Leben. Dass das Bekenntnis der Lippen und das der Hände zusammenfinden. Das wäre Advent.