Die Kapuziner werden im Herbst 2010 Ried im Innkreis verlassen (siehe Seite 5). Damit schließt nach Braunau, Gmunden und Linz das letzte Kapuzinerkloster in Oberösterreich. Überalterung und fehlender Ordensnachwuchs sind die Gründe.
Warum haben Orden große Nachwuchsprobleme, fragte die KirchenZeitung bei den Kapuzinern und den in Ried wirkenden Frauenorden nach.
Abwendung. „Die Fragen sind nicht eindeutig zu beantworten“, meint Bruder Radoslaw Celewicz, Provinzial der Kapuziner. Es gehe um die ganze Kirche und sogar Gesellschaft. „Auch die Vereine und helfenden Berufe haben Schwierigkeiten, Menschen zu finden, die einfach sich selbst und ihre Zeit opfern wollen.“ Bruder Radoslaw blickt kritisch nach innen: „Jahrelang hat die Kirche statt des Gottesgeheimnisses und des biblischen Glaubens eine kleinbürgerliche Moral des braven Kirchenbürgers gepredigt und die Menschen mit dem Werkzeug der Angst geführt. Kein Wunder, dass sich so viele Menschen von solcher Führung abgewendet haben.“
Wer hört Gottes Stimme? Die Generaloberin der Franziskanerinnen von Vöcklabruck, Sr. Kunigunde Fürst, fragt: „Bei so vielen Geräuschen, wer hört da das leise ,Rufen Gottes’? Es gibt viele Chancen im sozialen Dienst, wozu brauche ich da eine Ordensgemeinschaft? Die Kleinfamilien nehmen zu, wo ist dann jemand ,frei‘ für diese doch anfordernde Lebensform?“
Familie und Gesellschaft. Die religiöse Prägung in den Familien und Pfarren und damit das Interesse am Leben im Orden ist abnehmend. „Ordensleben“, sagt die Generaloberin Schwester Kunigunde Fürst, „ist nichts Spektakuläres, es vollzieht sich im einfachen Alltag des Dienstes an und bei Menschen.“ Bruder Radoslaw sieht im Schwund der Gottesbeziehungen Ursachen: „Die westliche Gesellschaft bedarf kaum mehr Gott. Wenn man doch an die Grenzen kommt, fällt es dem heutigen Menschen schwer, sich schwach oder sogar als sündig zu zeigen.“
Verspiritualisierung. Sr. Teresa Hametner von den Franziskanerinnen meint: „Vielleicht kann man/frau bei uns nicht so leicht den ,Mehrwert’ unserer Lebensform erkennen, weil wir eben so unspektakuläre, ja normale Tätigkeiten ausüben.“ Manchmal hat sie den Eindruck, es gibt eine ,Verspiritualisierung’, gerade bei den neuen Bewegungen. „Und da können wir nicht mithalten, wollen vielleicht auch nicht.“
Permanente Verfügbarkeit. Bruder Helmuth Benkler, Guardian des Kapuziner-Klosters in Ried sieht, wenn er mit Stiften vergleicht, bei denen es da und dort Ordensnachwuchs gibt, bei Orden wie den Kapuzinern das Problem fehlender Ortssicherheit. Kapuziner werden vom Ordensoberen versetzt. „Bei der allgemein nachlassenden Bindungsfähigkeit: Wer tut sich da die permanente Verfügbarkeit noch an“, fragt Bruder Helmut.
Gelassenheit, Gottvertrauen. Bruder Radoslaw bleibt gottvertrauend gelassen. „Bruder sein ist etwas Wertvolles und Schönes. Vielleicht muss aber noch einiges sterben, bis es uns und den Anderen bewusster wird. Dies kann man sehr tragisch sehen oder auch als einen Reinigungsprozess.“ Auch Sr. Teresa hat Optimismus: „Wenn wir glaubwürdig vermitteln, dass unser Leben ein Leben in Fülle sein kann, dass es Freude macht und spannend ist, dann wird die Krise zum Leben führen.“
Vielleicht geht etwas zu Ende. „Wir repräsentieren eine Lebensform, mit der viele junge Frauen heute nichts mehr anfangen können.“ So liest man auf der Homepage der Barmherzigen Schwestern, die auch in Ried ein Krankenhaus führen. „Armut“ und „Gehorsam“ sind schwierige Begriffe geworden. Dazu kommt das Gelübde der Keuschheit, das für viele junge Frauen eine große Hürde ist. Im 19. Jahrhundert gab es ein immenses Wachstum des Ordenslebens. Wir sind gewissermaßen letzte Ausläufer dieses Booms. Vielleicht geht da etwas zu Ende, und neue Formen entstehen ...“