Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die er liebt!“ Seitdem dieser Gesang erklungen ist, seit jener Nacht, in der die Engel ihn angestimmt haben, wurde die Menschheit noch von vielen Kriegen, Ungerechtigkeiten und Gewaltausbrüchen heimgesucht. Die Weihnachtsgeschichte selbst wird vor einem tragischen Hintergrund erzählt. Kaiser Augustus gab vor, er würde in seinem ganzen Reich Frieden herrschen lassen. Es war freilich nur ein vermeintlicher Frieden, erkauft um den Preis harter Unterdrückungsmaßnahmen.
Betet für uns. In diesen Weihnachtstagen gehen mir Worte einer Jugendlichen aus Ruanda namens Clarisse nicht aus dem Sinn. Wir waren in Nairobi, in Kenia. Mit den Kirchen dieser Stadt bereitete unsere Communauté (Gemeinschaft) ein Jugendtreffen vor, eine afrikanische Etappe auf unserem „Pilgerweg des Vertrauens auf der Erde“. Jugendliche aus 15 afrikanischen Ländern waren zusammengekommen. Clarisse meinte damals: „Sagt in Europa, dass die Leute für die Jugendlichen in Ruanda beten sollen. Bei uns herrscht verheerende Arbeitslosigkeit. Und dazu kommen alle, die in der Zeit des Völkermords so viel gelitten haben, dass sie nicht mehr an Gott, ja nicht einmal mehr an das Leben glauben können.“
Einladung. Bei Jugendlichen dort waren Schmerz, aber auch Glück zu finden. So erstaunlich es sein mag, in Afrika vertreiben die täglichen Schwierigkeiten die Freude nicht, Ernst und Tanz schließen einander sich nicht aus. Die Lebensfreude brach vor allem bei den Lobgesängen während der gemeinsamen Gebete hervor. Von den 7000 Jugendlichen, die gemeinsam sangen, ging eine außerordentliche Kraft aus, die tief aus ihnen kam. Mit diesen jungen Afrikanern haben wir uns daran erinnert, dass das Evangelium mit der großen Hoffnung der Weihnacht beginnt. Gott hat seinen Sohn nicht gesandt, damit sich nichts verändert. Seine Ehre im Himmel ist der Friede auf Erden. Diesen Frieden zwingt er aber nicht von oben her auf. Das Evangelium erzählt, in welch unerhörten Weise Gott mit der Menschheit umgeht. Er kommt in Jesus und er bittet in jeder Generation immer wieder jeden Einzelnen, sich an seinem Versöhnungswerk zu beteiligen. Selbst in den dunklen Stunden ist die Verheißung der Weihnacht somit allen Menschen eine Quelle, ausdauernd zu versuchen Frieden zu schaffen, wo er bedroht ist.
Empfangen. An Weihnachten begreifen wir, dass der Frieden eine Gabe Gottes ist und dass es zuerst darauf ankommt, ihn zu empfangen. Wenn wir uns dem Kind in der Krippe zuwenden, werden wir zu einer echten Bekehrung gerufen. Ohne diese Umkehr im Herzen gibt es keinen wahren, sondern nur einen scheinbaren Frieden, wie den des Kaisers Augustus. „Beginnt in euch das Werk des Friedens, so dass ihr, selbst befriedet, den anderen Frieden bringt“, sagte Ambrosius. Wenn wir Weihnachten feiern, bringt Gott in uns den Frieden des Herzens zur Welt. Wir schöpfen ihn aus dem Vertrauen, dass Gott die Menschen liebt, alle – ohne Unterschied.
Staunen. Die Nähe Gottes verweilend zu betrachten, die sich an Weihnachten offenbart, ruft immer Staunen hervor. Das Wort ist Fleisch geworden. Gott hat sich verwundbar gemacht. Augustinus betont: Sein Wort wird ein kleines Kind, das noch nicht sprechen kann. Von Geburt an gerät Jesus in allereinfachste Verhältnisse, in die Ungefestigtheit des Menschenlebens. Wenig später leidet er mit Maria und Josef unter Verfolgung und Exil. An Weihnachten zeichnet sich bereits der Schatten des Kreuzes ab. Indem er Mensch wird, entscheidet sich Gott schließlich dafür, die menschliche Zerbrechlichkeit anzunehmen. Er kommt und bewohnt unsere Zerrissenheit, unser Leiden. Christus erreicht uns auf dem Tiefpunkt, er wird Mensch wie wir, um uns die Hand reichen zu können. Durch das Kommen Jesu lässt sich Gott auf einen wahren Tausch ein. Er nimmt unser Menschsein an und dadurch uns als Menschen.
Vertrauen wagen. Wagen wir es, in dem kleinen Kind der Krippe die Gegenwart Gottes zu erkennen, empfangen wir seinen Frieden und mit ihm die Hoffnung auf Frieden für die ganze Welt. An Weihnachten sendet Gott uns aus, diesen Frieden in unsere Umgebung zu tragen. Unsere Welt braucht mutige Frauen und Männer, die mit ihrem Leben den Ruf des Evangeliums nach Versöhnung verkörpern. Erinnern wir uns daran, dass manchmal nur einige wenige Menschen nötig waren, damit sich die Waage zum Frieden hin neigte. Das Vertrauen und der Mut einer Frau, der Jungfrau Maria, reichten dafür aus, Gott in unsere Menschheit eingehen zu lassen. Lassen wir uns von diesem Vertrauen und diesen Mut bewegen. Wir können sie in den Augen der Jungfrau mit dem Kind lesen, die hier abgebildet ist. Sie trägt die Züge einer jungen Afrikanerin.
Bruder Alois, Prior der Gemeinschaft von Taizé, hat für die französische Zeitung „La Croix“ Betrachtungen zum Kirchenjahr verfasst. Die Gemeinschaft von Taizé hat diese Texte der Kirchenzeitung zur Verfügung gestellt.