Am 19. September wird John Henry Newman seliggesprochen
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13.09.2010 - Dr. Roman Siebenrock
Am 19. September 2010 wird Papst Benedikt in Birmingham Kardinal John Henry Newman seligsprechen und damit offiziell den zu Lebzeiten „gefährlichsten Mann Englands“ als Vorbild und Orientierung der Kirche anerkennen.
Newmans Zeit ist noch immer unsere Zeit. Am Beginn seines Lebens stand Europa im Schatten der Französischen Revolution und England als protestantische Nation noch tief in der reformatorischen Spaltung. Als er starb, war eine erste Hochschätzung zwischen den Konfessionen zu erkennen. Und die industrielle Revolution in Verbindung von Wissenschaft, Markt und Technik (ausgehend von England) gestaltete die Gesellschaft nach nützlichkeitsorientierten und liberalen Prinzipien um. Gerade weil Newman immer mehr den politischen Liberalismus schätzte, kämpfte er entschieden gegen einen theologischen Liberalismus, nach dessen Überzeugung es keine gültige Wahrheit in der Religion geben könne – eine Überzeugung, die heute allgemein akzeptiert zu sein scheint.
Worauf es ankommt. Gott ist nicht mehr „im Himmel“ und Religion dient nicht als Kitt der Gesellschaft. Auch die Kirche verliert ihre bisherigen gesellschaftlichen und politischen Grundlagen. Was sind aber die wahren Grundlagen der Kirche und des Glaubens? Newman gibt uns zwei Weisungen: Glauben heißt, nach Christus Ausschau halten. Glauben bedeutet, in eine personale Beziehung einzutreten, in der das Herz zum Herzen spricht. So tritt der Glaubende in eine lebenslange Entwicklung ein. Er wird die Wahrheit daher umarmen, wo immer er sie findet und so immer mehr auf das wahre Bild Christi hin wachsen. Der Glaube wurzelt in einer persönlichen Erfahrung, die durch nichts ersetzt oder überspielt werden kann und darf.
ch und mein Schöpfer. Bis ins hohe Alter ist ihm die Erfahrung, die er als 15-Jähriger machte, gegenwärtig. In dieser Erfahrung wird der Glaube für ihn zur unmittelbaren Realität, der Ernst einfordert. Nicht Tradition, Gewohnheit oder gesellschaftlicher Vorteil begründen ihn, sondern die Erfahrung, dass Gott mich meint und gerade mich ruft. Er hält fest: Heiligkeit vor friedlicher Bequemlichkeit („holiness rather than peace“). Gott wurde ihm zu der das Leben bestimmenden Wirklichkeit. Das nennt er den dogmatischen Gehalt des Glaubens. Sein Grunddogma lautet: „myself and my creator“ (ich und mein Schöpfer). Diese Unmittelbarkeit von Gott und Mensch wird er sein Leben lang bewahren und bezeugen. Deshalb lehnt er den theologischen Liberalismus ab. Aber er lehnt auch alle jene ab, die mit weltlichen Mitteln den Glauben zu verteidigen suchen, sei es mit staatlicher Gewalt oder mit päpstlichen Machtmitteln. Religion hat ihren Grund nicht in der Funktion persönlicher oder gesellschaftlicher Lebensbewältigung, auch nicht im äußeren Gehorsam gegenüber einer Autorität, sondern im Anruf Gottes, der mich immer im Innersten trifft, auch wenn er durch Zeit und Geschichte vermittelt ist. Selbst der Papst kann diese Beziehung der Unmittelbarkeit zu Gott nicht ersetzen. Er kann ihr nur dienen: Erst das Gewissen – dann der Papst.
Das Gewissen. Eine solche Grunderfahrung steht allen Menschen offen: im ernsthaften Leben nach dem wachsenden Licht des eigenen Gewissens, das im Zusammenhang aller Wahrheit steht und daher zu lebenslangem Wachsen ermutigt: „Wachstum ist der einzige Beweis für Leben“. Er würde uns heute fragen: Sind Sie offen für die größere Wahrheit, für die Entwicklung des Glaubenslebens, für die reale Kirche und ihren Anfang, für die Gegenwart des Geistes in allen Menschen, für die Begegnung mit Christus? Sind Sie bereit, die Wahrheit im Anruf des Geistes Gottes immer zu suchen, und ihr auch dorthin folgen, wohin Sie nicht wollen? Newmans Gewissenslehre verpflichtet jede Autorität zur Anerkennung dieses ursprünglichen Statthalters Christi im Menschen. Deshalb wird der christliche Glaube nicht als System, Lehre, begründetes Dogma, Rechtsinstitut oder Morallehre verbreitet, sondern durch Menschen, die als Zeugen des Evangeliums in ihrem Leben das Bild Christi realisieren.
- Zur Information: http://www.john-henry-newman-gesellschaft.de/
Lebensdaten
21. Februar 1801: * in London 1816: Studium am bekannten Trinity-College, Oxford 1822: Lehrer am Oriel-College 1824: Diakon, 1825: Priester (Pfarrer in kleinen Gemeinden) 1833: Beginn der Oxford-Bewegung zur Erneuerung der englischen Staatskirche 1838–1845: Wachsende Zweifel an der theologischen Grundlage seiner (anglikanischen) Kirche 9. 10. 1845: Eintritt in die römisch-katholische Kirche 1847/48: Studium und Priesterweihe in Rom. Lernt das Oratorium nach dem Vorbild Philipp Neris kennen. Ab 1848: Gründung des englischen Oratoriums (Birmingham) 1851–1857: Gründungspräsident der katholischen Universität Dublin 1864: Hauptwerk „Apologia pro vita sua“ erscheint 1875: Brief zur Interpretation der Unfehlbarkeit des Papstes 1877: Ehrenfellow von Trinity-College (eine ökumen. Sensation) 1879: Ernennung zum Kardinal durch Papst Leo XIII. Am 11. August 1890 stirbt Newman. Grab im Oratorium Birmingham.