Millionen hören sie: Stars wie Peter Alexander, Udo Jürgens, Christa Stürmer, ja, sogar Hansi Hinterseer. In der Nacht von Samstag auf Sonntag starb Peter Alexander. Der Tod des am Ende einsam gewordenen „Publikumslieblings“ bewegt viele.
Aufstehn, Aufstehn. Immer wieder aufstehn. So heißt der Refrain eines der unzähligen Lieder, mit denen Peter Alexander Millionen in seinen Bann gezogen hat. Am Sonntag, 13. Februar gab es kein Aufstehen für den alt gewordenen Star, dessen letzte Lebensjahre nach dem Tod seiner Frau und seiner Tochter schwer geworden waren. Die Nachricht von seinem Tod bewegt viele, auch jene, die nicht zu seinen Fans zählen.
Wie kommt es, dass Menschen wie Peter Alexander eine derartige Breitenwirkung haben? Künstler wie er berühren auch Kirchenmenschen an einer Seite, an der sie in ihrem eigenen Raum wohl selten berührt werden. Melodien, die zu Gehör gehen. Verse und Rhythmen, die bisweilen ans Akrobatische grenzen. Als „seicht“ wird diese Art Schlagermusik oft abgetan – und sie geht bei vielen Menschen doch tiefer, als es so manches Kirchenlied vermag.
Die Lieder der Stars sind oft recht ehrlich. Sie erzählen von Sachen, die in Kirchenräumen doch eher verpönt sind – als zu weltlich, zu gewöhnlich, zu wenig fromm. Dass Peter Alexander ausgerechnet mit den „Beinen von Dolores“ Anfang der 50er-Jahre berühmt wurde, liegt auf dieser Linie. Welcher Mensch hätte nicht Gefallen an schönen Beinen? In der Kirchensprache bleiben sie diskret verhüllt. Dass die schönen Dinge wirklich schön sein dürfen – und lustig noch dazu, das gibt es in Schlagern. Im Alten Testament findet man auch solche Texte. Aber das ist lange her.
Gott sei Dank gibt es nicht nur die Prediger, sondern auch Humoristen und Schlagersänger, die die Dinge des Lebens zur Sprache bringen. Die Welt sähe sonst zu spröd und trocken aus. Die kunstvollen, höchst originellen Verse, wie sie etwa ein Heinz Erhardt geschrieben und vorgetragen hat, und eben die Lieder, wie sie Peter Alexander zu Dutzenden einspielte – sie helfen die Welt verstehen und ein Stück weit auch annehmen. Und vor allem: Da ist Raum zum Schmunzeln und Lachen. Beschwingt, leicht, rhythmisch. Manche sind bloß humorvoll, und damit basta. „Der Papa wird’s schon richten!“, so einer der Hits, ohne weitere Bedeutung.
Und dann wieder Lieder von einem erstaunlichen Ernst. Man muss sie nur genau lesen. Es sind Verse zum Nachdenken:
„Dort in der Kneipe in unserer Straße, da fragt dich keiner, was du hast oder bist.“
Eine Wahrheit klingt an. Ein Ort, an dem Reich und Arm nicht mehr zählen, wo es auf Menschsein allein ankommt. Wer das Lied hört, mag sich seine Gedanken machen. Und zugegeben: Sind alle Predigten, alle „religiösen“ Zeitungsartikel, so toll, dass man sie mit hineinnimmt in den Tag?
Eine Melodie auf den Lippen, die entspre-chenden Worte dazu. Und ein paar Gedanken, die man selbst dazufügen mag. Auch die Liedersänger – ob sie berühmt sind oder ob sie nur für ein paar wenige ihre Lieder singen – gehören zu den Predigern unserer Zeit. Man muss froh sein, dass es sie gibt.Sie leisten den Dienst der Unterhaltung. Und das ist in einer Zeit zunehmender Vereinzelung alles andere als gering zu schätzen.
Dieses Lied zum Beispiel mit dem Refrain:
Hier ist ein Mensch, schick ihn nicht fort. Gib ihm die Hand, schenk ihm ein Wort.
Schaut aufeinander, geht nicht aneinander vorbei. Millionen haben das Lied auf ihren Lippen gehabt und sich vielleicht dann und wann auch zu Herzen genommen.Und dann das große Thema Liebe. Das Hauptthema der Schlagerwelt – zumindest der früheren Jahre. Von der Schönheit der Liebe zu reden, vom Glück, das hat man heute überhaupt den Liedersängern überlassen. In vielen Kirchenorten verkümmert selbst die Liebe zum bloßen Gefahren-bereich. Auch Peter Alexander geht an das Thema heran. Und keineswegs nur seicht:
„Ich zähle täglich meine Sorgen, denn ich sorg mich sehr, wenn ich denk, du liebst mich nicht, lieb ich dich umso mehr, ich zähle täglich meine Sorgen und lieb dich wie zuvor ...“¶
Dass die Antwort in Liebesdingen selbst Liebe sein soll. Von Alexander und Co kann man, wenn man will, das lernen. Man muss aber nicht. Denn das gehört auch zur Kunst unserer Liedersänger: Glaubensverpflichtung gibt es keine. Und das ist gut so.