Von Krakau nach Breslau führte die Ökumenische Reise der KirchenZeitung und des Evangelischen Bildungswerkes Oberösterreich. In ein Land, das durch wunderbare Städte, Natur und vor allem durch seine Menschen beeindruckt.
Ausgabe: 2012/31, Polen, Krakau, Breslau, Thomas Mazur, Andreas Hochmeir, Auschwitz, Edith Stein
31.07.2012 - Matthäus Fellinger
Konservativ, gestrig, rückwärtsgewandt. So wird Polens katholische Kirche vielfach im Westen eingeschätzt. Lebendig, jung, vielschichtig. So erlebten die 44 Teilnehmer/innen der „Ökumenischen Reise“ das südliche Polen bei ihrer achttägigen Rundfahrt vom 21. bis 28. Juli. In der großen Dominikanerkirche von Krakau zum Beispiel, mitten in den Ferien: Es ist halb neun am Abend und die Kirche ist bis in die letzten Winkel voll, als der Studentengottesdienst beginnt. Es ist ein Singen, wie man es aus Österreichs Kirchen kaum kennt, und bei der Predigt ein Lachen. Eine Stunde später ist die Kirche schon wieder voll. Zur nächsten Messe. Tage später in Breslau. „Zölibat – die größte Illusion der Kirche“ steht auf der Titelseite einer Breslauer Tageszeitung. Auch in Polen beginnt die Diskussion über die Gestalt der Kirche in der heutigen Welt. Es gibt in Polen einen „Retro-Trend“, meint Pfarrer Thomas Mazur, der die Reise als katholischer Priester von Linz aus in seine Heimat begleitete: „Aber die Bischöfe versuchen, Schritt für Schritt die Kirche auf dem Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils voranzubringen.“ Das war die größte Überraschung bei der ökumenischen Reise: dieser lebendige, tiefe Glaube, der bei den Menschen spürbar ist.
Polens evangelische Kirche. Gleich wenn man von Brünn über die Grenze kommt, liegt Cieszyn (Teschen). Hier steht die größte evangelische Kirche im Land. 40.000 Gläubige hatte die Pfarre einst, nachdem Joseph I. im 18. Jahrhundert den Bau der Kirche erlaubt hatte. 8000 Sitzplätze bot sie mit ihrem Emporen. Noch heute ist Teschen die größte evangelische Pfarre in Polen. Rund 400 Christinnen und Christen feiern hier jeden Sonntag Gottesdienst. Aus Teschen kam der erste Superindentent der evangelischen Kirche nach Oberösterreich, erzählt Andreas Hochmeir. Als evangelischer Pfarrer in Wallern hat er die Reise begleitet. Zwei Bauern, einer aus Wallern, der andere aus Scharten, haben sich damals nach Teschen begeben, um Johann Christian Thielisch „anzuwerben“. Von 1783 bis 1827 wurde dieser erster Superintendent in Oberösterreich. Die evangelische Kirche in Polen umfasst insgesamt rund 80.000 Leute, lebt also in kleinen Gemeinden. Eine dieser Gemeinden liegt in Tschenstochau, Polens größtem Marienwallfahrtsort. Rund 150 Mitglieder hat sie. Der Pfarrer ist zugleich Notfallseelsorger und Feuerwehroffizier. Und gleich gegenüber der evangelischen Kirche befindet sich auch eine orthodoxe neue Kirche. Tschenstochau – das katholische geistige Zentrum, ein überaus ökumenischer Ort also. Die christlichen Kirchen Polens leben von den Gaben ihrer Gläubigen – mit allen Vor- und Nachteilen.
In Auschwitz. In der Mitte der Ökumenischen Reise stand ein Besuch in Auschwitz-Birkenau. Da wird die Größenordnung der Verbrechen durch das Hitler-Regime erschreckend bewusst. Ein Raum voll mit Haaren der Ermordeten. Ein weiterer Raum voller Schuhe. Es verschlägt einem die Sprache. Eines der Opfer von damals: Edith Stein. Am 9. August 1942 – vor 70 Jahren – starb die jüdische katholische Karmelitin hier in Auschwitz. Sie hatte mit ihrer Familie in Breslau gelebt. Das Haus der Familie ist eine Gedenkstätte.