Der versöhnliche Umgang einer Kirche mit Geschiedenen
In der orthodoxen Kirche sind zweite und sogar dritte Ehen nach Scheidungen nicht unüblich. Ob das ein Denkanstoß für die katholische Kirche ist, ist Thema eines Vortragsabend am Dienstag, 2. Oktober.
Ausgabe: 2012/38, Eheschließung, Orthodox, Kirche, geschieden, Dr. Sorin Bugner
18.09.2012 - Josef Wallner
Das Thema „Geschiedene Wiederverheiratete“ gehört seit Jahrzehnten zu den heißen Eisen. Die katholische Kirche gestattet keine zweite Hochzeit und Papst Johannes Paul II. bekräftigt in dem Schreiben „Familiaris Consortio“ (1981) die „auf die Heilige Schrift gestützte Praxis der Kirche, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen“.
Ehe – Eintreten in die Liebe Gottes
Anders praktizieren das die orthodoxen Kirchen. Die Ehe zwischen Mann und Frau ist ein Abbild der mystischen Verbindung Christi mit seiner Kirche. Das Ehepaar tritt in dieses Geheimnis Gottes ein. Entsprechend hoch wird die Ehe in der Orthodoxie auch geschätzt und deren Unauflöslichkeit betont. Der Kirchenordnung entspricht es in den orthodoxen Kirchen aber, dass Geschiedene ein zweites und sogar ein drittes Mal „gekrönt“ werden können, wie die Trauung in der Orthodoxie genannt wird.
Kirchenordnung, in der die Schwäche Platz hat
Der rumänisch-orthodoxe Pfarrer von Linz, Sorin Bugner, erzählt, wie das praktisch vor sich geht: Ein betroffenes Paar kommt zu ihm, und er sucht bei seinem Bischof um Erlaubnis für die Eheschließung an, wenn ein oder beide Partner geschieden sind. Der Bischof gibt die Genehmigung, weil die „Oikonomia“, die Kirchenordnung, aufgrund der Schwäche des Menschen eben weitere Möglichkeiten einer Eheschließung vorsieht. Man möchte die Menschen nicht ein ganzes weiteres Leben lang unversöhnt mit der Kirche leben lassen, betont Pfarrer Bugner. Fasten vor der Hochzeit. Zwischen erster und zweiter Krönung besteht dennoch ein sichtbarer Unterschied in der Feierform. Das Zeichen der Eheschließung, das Krönen der Partner, bleibt gleich, geschieht aber in einer weniger feierlichen Form, und der gesamte Gottesdienst ist deutlich kürzer. Auch die Gebete sind im Ton weniger überschwänglich. Sie gehen auch auf das Scheitern der ersten Ehe ein und auf die Schuld, die damit fast immer verbunden ist. Der zweiten Krönung geht in aller Regel eine 40-tägige Fastenzeit für die Ehepartner voraus. In dieser Zeit fasten sie zweimal in der Woche – mittwochs und freitags – haben an diesen Tagen keinen Geschlechtsverkehr und pflegen ein intensives Gebetsleben, erklärt Pfarrer Bugner.
Ein Denkanstoß für die katholische Kirche?
Die Stiftung Pro Oriente – Sektion Linz lädt zu einem Vortragsabend „Die mögliche zweite Eheschließung bei den Orthodoxen – Denkanstoß für die katholische Kirche?“. DDr. Anargyros Anapliotis, Akademischer Oberrat für Kirchenrecht in München, stellt das orthodoxe kanonische Recht vor. Dr. Sorin Bugner, Pfarrer der rumänisch-orthodoxen Gemeinde in Linz, spricht über die pastorale Praxis einer zweiten und auch dritten Eheschließung.
In der Diözese Linz gibt es eine bewährte Praxis der Geschiedenenpastoral, betont Pfarrer Franz Harant, Ehe- und Familienseelsorger. Schwerpunkt ist dabei – ganz im Sinn des Schreibens „Familiaris Consortio“ von Johannes Paul II. – die intensive, persönliche Gesprächsbegleitung von wiederverheirateten Geschiedenen. Dabei werden die Betroffenen in ihrer Gewissensentscheidung (Forum Internum) unterstützt, damit sie selbst eine verantwortbare Entscheidung, z.B. im Hinblick auf den Kommunionempfang, treffen können. Diese Orientierung für die Seelsorge aus dem Jahr 1986, die die Situation der Einzelnen im Blick hat, wurde von Rom nie beeinsprucht. Die österreichische und die deutsche Bischofskonferenz sind aktuell im Gespräch mit Rom auch wieder einmal um eine Klärung bemüht, die über Gewissensentscheidung Einzelner hinausgeht und eine generelle Lösung bringt – wie zum Beispiel in der orthodoxen Kirche.