Die Spuren der evangelischen Kirche waren für lange Zeit fast ausgelöscht – bis nach dem Krieg die Flüchtlinge aus Siebenbürgen kamen.
16.000 Fahrzeuge fahren vor der Haustür täglich vorbei. Die Bundesstraße 1 prägt das Geschehen im evangelischen Pfarrhaus Timelkam deutlich mit. Obdachlose und Arbeitslose sind unter denen, die hier häufig Halt machen. Die Tankstelle in der Nähe stellt die Rechnung auf das Pfarramt aus, wenn einem Fahrer aus einem Ostland das Geld fürs Nachtanken fehlt. Gemeindemitglieder sorgen dafür, dass in einem Fonds Geld für solche Nöte da ist. Seit im nahen Vöcklabruck das Sozialzentrum besteht, ist es für die Pfarre leichter geworden.
Die frühere katholische Kirche ist heute evangelische Pfarrkirche. Zwar ist die Region um Timelkam alter evangelischer Boden. Die schlimmen Ereignisse um den Bauernaufstand auf dem Haushammerfeld von Frankenburg sind unvergessen, doch hat die „Gegenreformation“ für lange Zeit der evangelische Kirche hier den Boden entzogen.Erst mit den Flüchtlingen aus Siebenbürgen kamen nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Evangelische in den Vöcklabrucker Raum. Ihren Heimatdörfern entsprechend siedelten sie sich in den umliegenden Orten an. Die heutigen Predigtstellen in Vöcklamarkt, Frankenmarkt und Zipf gehen auf diese Zeit zurück.
Ein einheitliches Pfarrbewusstsein für die neue Gemeinde von Timelkam zu schaffen, ist unter diesen Umständen gar nicht so leicht. Pfarrerin Dr. Hannelore Reiner bemüht sich dennoch, gerade das Verbindende zwischen den Gemeinden zu stärken.
Bei der Kinderarbeit gelingt das gut. Die Eltern bringen ihre Kinder am Sonntag. Parallel zum Hauptgottesdienst der Erwachsenen gibt es für die Kinder eine eigens gestaltete Feier. Mitarbeiter um Religionslehrerin Ulrike Eitzinger übernehmen die Vorbereitung. Einmal im Monat wird auch in Fankenmarkt und Vöcklamarkt ein Kindergottesdienst gefeiert.
Steckbrief
Eine Pfarre in vier Gemeinden Erst 1984 wurde die evangelische Gemeinde Timelkam als Tochtergemeinde von Vöcklabruck gegründet. Sie umfasst die politischen Gemeinden von Timelkam, Vöcklamarkt, Frankenmarkt und Zipf mit einer Gesamteinwohnerzahl von 25.000 Menschen. 850 davon sind evangelisch. In jeder der politischen Gemeinden besteht eine evangelische Predigtstelle, an der Gottesdienste gehalten werden. In Zipf werden diese in der katholischen St. Josefs-Kirche gefeiert, in Frankenburg im Altenheim der Marktgemeinde. In Frankenmarkt wurde nach der Flüchtlingszuwanderung aus Siebenbürgen eine evangelische Kirche gebaut, in Vöcklamarkt ist die frühere katholische Kalvarienbergkirche heute evangelische Kirche. Auch die Johanneskirche von Timelkam war bis zum Neubau der katholischen Kirche Pfarrkirche der Katholiken gewesen. Prunkstück der Kirche ist das Altarbild von Martin Altomonte (Bild), das den hl. Johannes von Nepomuk als Tröster der Armen und Kranken darstellt – sinnbildlich für die soziale Ausrichtung der Gemeinde auch heute.
Konfirmation – das Herzstück der Jugendarbeit
Gemeinsam für die ganze Pfarre geschieht die Vorbereitung auf die Konfirmation. Sie entspricht der Firmung in katholischen Pfarren. Die Vorbereitung bei diesem Schritt in die volle kirchliche Mündigkeit nimmt die evangelische Kirche sehr ernst. Zwischen Oktober und Mai treffen sich die Konfirmanden wöchentlich am Freitag nachmittags zur Vorbereitung. Konfirmandenunterricht ist in der evangelischen Kirche Aufgabe des Pfarrers. Hannelore Reiner nimmt die Vorbereitung zusammen mit einem Helfer selbst wahr. Heuer bereiten sich 14 Jugendliche auf die Konfirmation vor. Zu dieser Vorbereitung gehört auch eine gemeinsame viertägige „Freizeit“. Es geht dabei um ein besseres Kennenlernen von Glaube und Bibel sowie um gemeinsames Erlebnis.
Während der Vorbereitungzeit sollen die Konfirmanden die Kirche kennen lernen. So müssen sie wenigstens bei zehn Gottesdiensten gewesen sein, sie sollen eine Taufe, Beerdigung und eine Hochzeit miterlebt haben.Katholische und evangelische Kirche arbeiten in Timelkam und in den Nachbargemeinden gut zusammen. So machen auch die evangelischen Frauen bei der Jungmütterrunde der katholischen Pfarre mit. Ein eigener Frauenkreis sorgt in der evangelischen Gemeinde für die Vorbereitung von Festen. Eben wurde ein Adventmarkt gehalten – um mit dem Erlös von Abschiebung Bedrohten zu helfen. Ein Besuchsdienst kümmert sich um die Gemeindemitglieder in den Altenheimen und Krankenhäusern. Seit vielen Jahren gibt es einen Stammtisch der Männer, bei dem die Predigt nachbesprochen wird. Ab 14 Jahren sind evangelische Christen wahlberechtigt. Alle sechs Jahre wählen sie die Gemeindevertretung. 28 Leute sind das für die Pfarre Timelkam mit ihren Predigtstellen (Predigtstellen haben keine eigene Gemeindevertretung). In der Gemeindevertretung fallen alle für das Gemeindeleben wichtigen Entscheidungen. Für Pfarrerin Reiner ist dieses Mitverantworten durch viele Menschen eine gute Sache. Pfarrer oder Pfarrerin haben vor dieser Gemeindevertretung jährlich Rechenschaft zu geben. Reiner sieht das nicht als unliebsame Abhängigkeit. „Dass ich so manchmal Rücksicht nehmen muss, schadet ja nicht!“ In der Gemeindevertretung sie t sie Menschen, die mitdenken, mitfeiern, mitbeten und die sich umschauen, was eben so gemacht gehört.
Eine wichtige Rolle in einer evangelischen Pfarre kommt dem „Presbyterium“ zu, einer Art gewählter „Vorstand“, der sich um die Gemeindeleitung im weltlichen Sinne kümmert.Der pensionierte Schlossermeister Paul Böhm gehört zum Presbyterium von Timelkam. Seine Familie ist eine der wenigen, in der alle evangelisch sind. Heute gibt es nur mehr selten rein evangelische Familien, die meisten Gläubigen leben in konfessionsverschiedenen Familien.Sofia Werner ist Küster (Mesnerin) in Timelkam. Dabei kümmert sie sich auch um die Kirchenreinigung und um die Ordnung im Pfarrhaus. Die nach Timelkam Zugewanderte erinnert sich noch, als es in Vöcklamarkt noch keine evangelische Kirche gab und in einem Wirtshaussaal Gottesdienst gefeiert wurde. Ferdinand Lehner ist Gemeindevertreter und Lektor in Timelkam. Das Amt des Lektors ist dem katholischen Wortgottesdienstleiter vergleichbar, Lehner tritt so auch als Prediger vor die Gemeinde – und zwar ehrenamtlich.
Zur Person: Dr. Hannelore Reiner
Dr. Hanne- lore Reiner ist seit 1990 Pfar- rerin von Timelkam. Im Sommer kommenden Jahres wird sie Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche werden – und dann für die Personalagenden der Evangelsichen Kirche AB in Österreich zustädnig sein. Für ihre jetztige Pfarre Timelkam hofft sie, dass die Gemeinde wieder besetzt wird.Für die Gesamtkirche wünscht Dr. Reiner, dass „Ökumene so gelebt wird wie bei uns“.
Zur Sache
Hauskirche auf Evangelisch In vielen evangelischen Häusern gibt es bis heute das „Losungsbüchlein“, oft liegt es am Nachtkästchen. Es enthält kurze Bibelworte, die früher am Altjahrstag „gelost“ als Motto für die einzelnen Tage des kommenden Jahres „gelost“ wurden. Zum alttestamentlichen Wort ist ein neutestamentlicher Vers beigestellt, dazu kommt noch ein deutendes Wort.Viele Evangelische verwenden diese Losungen auch heute noch. Diese Losungen finden sich auch auf Kalenderblätter gedruckt. In evangelischen Bauernhäusern werden solche „Kalender-Andachten“ als schlichte Form von „Hauskirche“ bis heute gehalten. Sehr lebendig sind in evangelischen Gemeinden die Bibelgesprächskreise, vergleichbar den Familienrunden in katholischen Pfarren. Zur „Bibelstunde auf dem Land“ treffen Christen von Timelkam einmal im Monat, meist bei Bauernfamilien. Dabei wir ein biblisches Buch durch ein Arbeitsjahr besprochen. In Vöcklabruck gibt es besonders viele solcher Hauskreise.