„Was sich in der Kultur verbirgt, könnte einer der Namen Gottes sein“ – so bringt Hubert Nitsch, Kunstreferent und Linz09 - Projektentwickler, seine Erfahrungen im Kulturhauptstadtjahr auf den Punkt. Die Kirche war bei Linz09 an vielen Orten präsent. Knapp 20 Projekte haben die Diözese Linz und Linz09 gemeinsam verwirklicht.
Das Haus der Frau in Linz brachte im Kulturhauptstadtjahr 1400 Personen aus verschiedenen Pfarren nach Linz. Viele davon besuchten Linz zum ersten Mal. Der angebotene Linz09-Tag war ein Erfolg, berichtet Maria Hauer vom Haus der Frau: „Linz bekam ein anderes Gesicht“, so die Rückmeldungen der Teilnehmer/innen.
Kirche trifft Kultur. Kirche als bedeutenden Kulturfaktor sichtbar zu machen, daran arbeiten Mitarbeiter/innen in diözesanen Ämtern und pfarrlich Engagierte seit Jahrzehnten. Ob künstlerische Neugestaltungen von Kirchen, Kirchenführungen oder -konzerte: das Programm, das täglich geboten wird, ist vielfältig. Im Kulturhauptstadtjahr ging es darum, dieses kulturelle Pulsieren in den Bereichen Kunst, Musik, Spiritualität, Lebenskultur und Soziales für Menschen inner- und außerhalb der Kirche erlebbar zu machen, auf den Punkt zu bringen.
Insel der Ruhe im Mariendom. Mit Projekten wie dem „Turmeremit“ im Mariendom, bei dem sich 58 Eremit/innen für eine Woche in die Stille des Domturms zurückzogen und von geistlichen Begleiter/innen betreut wurden, ist dies gelungen. Das Bedürfnis nach Rückzug und Stille ist groß, auch und besonders in der schnelllebigen Zeit. „Ich komme müde und zerfranst aus meinem Alltag“, schreibt Turmeremit Hannes in sein Tagebuch. Teile dieses Tagebuchs der Eremiten sind im Herbst in Buchform erschienen. Bilder, Gedanken, Zitate geben Einblicke in die Gedankenwelt derer, die von oben das Treiben in der Kulturhauptstadt erlebt haben. Im Mariendom und dem neu gestalteten Domplatz fanden sich während des Jahres viele neue Besucher/innen: Sie nutzten die Gelegenheit, die Eremiten-Ausstellung in der Kunststation Mariendom zu sehen, den „Ruhepol“ in der Rudigierhalle zu besuchen, kamen zum täglichen Mittagsgebet mit dem Eremiten in die Krypta oder lauschten bei der Orgelstation dem Klang der Rudigierorgel.
Musik bei Linz09. Die Orgelstationen sind ein weiteres Projekt von Linz09, das auf überraschend viel Resonanz gestoßen ist: Fast 13.000 Besucher/innen ließen sich in sechs Linzer Innenstadt-Kirchen nieder. Täglich um 17.15 Uhr lud dort ein Orgelkonzert bei freiem Eintritt ein, den Tag mit Musik ausklingen zu lassen. Kampagnen wie „Beschallungsfrei“ zum bewussten Umgang mit Musik an öffentlichen Plätzen fanden bei Linz09 und Kirche offene Ohren. Als „geglückte Partnerschaft“ bezeichnet Peter Androsch, Musikchef von Linz09, die Zusammenarbeit von Linz09 und der Kirche. Schlicht überwältigend war das „Te Deum der 1000“ im Mariendom. Bruckners Musik schwang sich am 26. Oktober die Säulen empor, 8000 Menschen lauschten dem „tausendfachen Lob Gottes im Mariendom“ – so titelte die KirchenZeitung in der darauffolgenden Ausgabe.
Pfarrkirchen öffneten die Tore. Nicht nur im Herzen der Stadt war Kirche präsent: Beim Projekt „Kulturhauptstadteil des Monats“, das zwölf Mal in Linzer Stadtteilen stattfand, beteiligten sich pfarrliche und kirchliche Gruppen an fast der Hälfte der Projekte. In Linz-Dornach, Ebelsberg, Kleinmünchen, St. Peter und im Frankviertel kam es zu neuen Begegnungen zwischen Bewohnern, Kunstschaffenden und pfarrlich Engagierten.
Sonntagskultur. Beim Projekt „Sonntagmorgen“ öffneten zwölf Pfarren ihre Pforten. Interessierte Gäste erhielten ein Begleitservice: Pfarrmitglieder holten die Besucher/innen am Hauptplatz am Sonntagmorgen ab und gingen mit ihnen in die Pfarrkirche. Der Besuch des Gottesdienstes, gemeinsames Feiern, Essen, Plaudern, Musizieren stand am Programm. „Indem wir das, was wir immer feiern, besonders festlich und gastfreundlich taten, zeigte sich, dass der Sonntag nicht nur dem Kult Gottes dient, sondern wesentlich auch zur Kultur des freien Menschen beiträgt“, sagt Pfarrer Walter Wimmer von Linz-St. Konrad zum „Sonntagmorgen“ in seiner Pfarre. – Damit drückt Wimmer eine Erfahrung aus, die viele Linz09-Verantwortliche der Kirche teilen: das, was in der Kirche an kulturellen Schätzen schon immer da war, wurde nun in konzentrierter Form sichtbar gemacht und nach außen getragen – für Insider und Fernstehende. „Die Formel Kultur und Kirche hat Zukunft“, wie Intendant Martin Heller rückblickend sagt. – Eine hoffnungsvolle Ansage für 2010.
- Ausführliche Kommentare von Maria Hauer, Margit Hauft, Peter Androsch, Walter Wimmer zu Linz09; Veranstaltungstipps: So., 27. Dezember, Ökumenische Abschlussvesper, Martinskirche, 19 Uhr; Severinakademie zu Linz09 & Kirche, Di., 12. Jänner, KTU, 19 Uhr.
Chancen genutzt
Kommentar von Martin Heller, Intendant von Linz09
Linz09 hat viele Chancen geboten. Die Diözese Linz hat sie genutzt. Zahlreiche Projekte konnten gemeinsam realisiert werden, in Auseinandersetzung mit Fragen von breitem Interesse: Toleranz, Spiritualität, Sinnlichkeit, Religion. Fragen, die mit künstlerischen und kulturellen Mitteln anders erfahren und thematisiert werden können als im kirchlichen Alltag. Und die in der Öffentlichkeit eine ungemein größere Resonanz fanden, als es kirchlichen Aktivitäten üblicherweise möglich ist.Was bedeutet das? Erlauben Sie mir eine persönliche Antwort. Die damit beginnen muss, dass mein Verhältnis zur katholischen Kirche alles andere als intakt ist. Nach einer katholisch geprägten und positiv erlebten Jugend kamen die Zweifel – und irgendwann, unvermeidlich, der Austritt. Seither war es mir nicht mehr möglich, mein Verständnis der Welt in diesem konservativ verklumpten Kirchenapparat wiederzufinden. Und nun dies: die Erfahrung, dass Kirche auch anders sein kann. Neugierig und bereit zur Auseinandersetzung nach allen Seiten hin. Offenbar sind kulturelle Spielregeln ein Antrieb, mehr zu wagen als sonst. Ideen haben sich entfaltet, sind zu Projekten geworden, haben ein Publikum gefunden außerhalb der Gemeinde der Gläubigen. Der Gewinn an Erkenntnis, Zugänglichkeit und Offenheit liegt auf der Hand. Für alle Beteiligten. Und die Folgerung? Weitermachen. Auf jeden Fall. Auch nach 2009. Denn die Formel Kultur & Kirche hat Zukunft.
Vom Namen Gottes
Kommentar von MMMag. Hubert Nitsch, Kunstreferent und Diözesankonservator der Diözese Linz
Die Sehnsucht der Menschen ist groß, die Möglichkeiten der Kirche stehen dem nicht nach. – Wenn die Kirche 70 % der Kulturgüter Oberösterreichs verwaltet, dann liegt eine Beteiligung im Rahmen einer europäischen Kulturhauptstadt sehr nahe. Aber die Zahl ist keiner der Namen Gottes. Das Bedürfnis der Menschen schon eher. Und hier hat die Kulturhauptstadt gezeigt, dass die Sehnsucht der Menschen groß ist. Dass diese Sehnsucht auf eine engagierte Kirche trifft, ist in Ober-österreich nicht wenig verwunderlich und zeigte sich auch in über 100 pfarrlichen Projektideen, die in einem langen Verhandeln mit der Intendanz sich letztendlich auf knapp 20 verwirklichte Projekte präzisierten. Und alle diese Projekte wurden ein Erfolg, was nicht nur mit der sorgfältigen Vorbereitung und Abwicklung zu tun hat, sondern auch mit dem Umstand, dass Kirche wirklich einen unverzichtbaren Beitrag in Linz, Oberösterreich, aber auch in Europa darstellt, ebenso im Gemeinsamen der verschiedenen kirchlichen Institutionen sowie im Gemeinsamen mit den Kulturträger/innen der Stadt. Berührend war für mich zu merken, wie viel man Menschen in unseren Kirchen und pfarrlichen Räumen mit Musik, mit Gesprächen, Führungen, der Ermöglichung von Stille und Seelsorge geben kann und geben darf. Das, was sich in der Kultur verbirgt, könnte einer der Namen Gottes sein. Die Kulturhauptstadt Linz09 endet mit Silvester, der Auftrag der Kirche geht weiter.
Den Himmel offen halten
Zur Sache
Auch wenn nicht alles das Gelbe vom Ei war, so ist es doch Linz 09 gelungen, den Reim von Linz und Provinz noch mehr zu entkräften. Indirekt waren manche Projekte, die mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu tun haben, auch kirchlich zu begrüßen, ebenso die Klangwolke zur „Arche Noah“, eine Hinführung zur UN-Klimagipfelkonferenz. Leider blieb „Der Heilige Berg“ aus. Indem die Kirche auf verschiedene Weise versuchte, den Himmel offen zu halten, blieb sie bei ihrem „Kerngeschäft“. Sprechendes Aushängeschild war das Projekt des Domturm-Eremiten. Zweimal habe ich selbst je eine Woche eine Eremitin begleitet. Unsere Pfarre hat sich mit einem Dutzend anderer kirchlicher Gemeinschaften am Projekt „Sonntagmorgen“ beteiligt. Indem wir das, was wir immer feiern, besonders festlich und gastfreundlich taten, zeigte sich, dass der Sonntag nicht nur dem Kult Gottes dient, sondern wesentlich auch zu Kultur des freien Menschen beiträgt. Die Kirchen waren wohltuend an den Ruhepolen und Orgelstationen als Tankstellen des hektischen Menschen beteiligt. Höhepunkt war für mich das „Te Deum der Tausend“ im Mariendom, der heuer aus seinem Dornröschenschlaf zu neuem Leben erweckt wurde.Die Kirche hat mit geringen Mitteln ihre Sendung wahrgenommen, denn es gilt auch für Linz: „Zu glauben und zu bleiben sind wir da, - draußen am Rande der Stadt. ...Das muss immer jemand tun mit allen andern. Und für sie.“ (Silja Walter).
Dr. Walter Wimmer, Pfarrer von Linz – St. Konrad
Geglückte Partnerschaft
Zur Sache
Von Anfang war klar, dass eine Europäische Kulturhauptstadt Linz ihrem Namen treu sein muß. Dass es also wirklich um die Art und Weise geht, wie wir leben, und nicht um ein Füllhorn der Kunst. Diese Unterscheidung erscheint so selbstverständlich und trotzdem ist es alltäglich, daß Kunst mit Kultur gleichgesetzt wird. Wenn wir von der römischen Kultur beispielsweise sprechen, meinen wir sicher nicht, wie die Römer Bilder gemalt und Theater gespielt haben. Nein, - wir meinen, wie sie zusammengelebt haben.Und Gradmesser für Kultur in diesem Sinn, ist der Umgang mit den Schwächsten in der Gesellschaft: mit den Kindern, den Alten, Schwachen, Arbeitslosen, Suchenden, Verlorenen und Verzweifelten. Im Umgang mit diesen Menschen erkennen wir unsere Zivilisiertheit. Gleichzeitig steigen mit der Zivilisiertheit die Entwicklungschancen. Das ist nur möglich in einem breiten Zusammenwirken gesellschaftlicher Kräfte. Die Katholische Kirche war dafür - besonders für die Musikabteilung - ein essentieller Partner, ein Partner mit einer Vielzahl thematischer Berührungspunkte und starker eigener Denk- und Gestaltungskraft. \"Turmmusik\", \"Hörstadt\" mit den vielen Strängen wie \"Ruhepol Mariendom\" und \"Beschallungsfrei\", damit inhaltlich verknüpft die \"Orgelstationen\" (das tägliche Orgelkonzert) und das \"Te Deum der Tausend\", der \"Turmeremit\" oder die \"Erben Abrahams\" zeigen, dass die Partnerschaft geglückt ist und auf einer grundlegenden Überzeugung ruht: Hören lernen und eine Stimme haben gehört zusammen. Eine fundamentale Kultur eben.
Peter Androsch, Musik - Linz09
Kultur trifft Kirche
Zur Sache
Wenn ich auf das Kulturhauptstadtjahr Linz 09 zurückblicke, denke ich an die vielen schönen Begegnungen mit Menschen, die mit großem Interesse die Einladung angenommen haben, einen Tag in Linz zu verbringen. Aus 77 verschiedenen Pfarren aus OÖ, NÖ, Wien, Salzburg und Kärnten kamen die Gruppen. 1.405 Personen lernten Linz als Kulturhauptstadt kennen. Mit der Einladung zu Kaffee und Linzer Schnitten ins Haus der Frau ermöglichten wir den Gruppen ein angenehmes Ankommen in Linz. Es war mir wichtig, die Gruppen zu begleiten, viele von ihnen waren nicht ortskundig, manche Frauen fuhren erstmals mit der Straßenbahn. Mir war auch wichtig, auf die Vielfalt der sakralen Kunst und auf die tollen kirchlichen Projekte aufmerksam zu machen. Das Kennenlernen moderner Architektur und Kunst, denn mit Linz 09 wurden die beiden Museen AEC und Lentos immer wieder genannt. Genau diese Kombination machte dieses Projekt zu einem Erfolgsprojekt. Es machte neugierig, denn der Großteil kannte diese Einrichtungen nicht. Sehr beeindruckt waren die BesucherInnen von den Geschichten, die uns die kunstvollen Glasfenster im Linzer Mariendom erzählen, wie es zum Bau dieser Kirche kam, dass Anton Bruckner die e-moll Messe für diese Kirche komponierte usw... Neugierig machte auch das Projekt des Domeremiten, beim Mittagsgebet in der Krypta ergaben sich sehr berührende Begegnungen, das Eremitenmenü im Kolpinghaus rundete das Vormittagsprogramm ab und beim Mittagstisch diskutierten wir über das Eremitenprojekt. Nach der Besichtigung der beiden Museen AEC und Lentos war der Abschluss bei der Orgelstation wieder Balsam für die Seele. Orgelmusik vom Feinsten wurde uns geboten, jeden Tag in einer anderen Kirche. Es wurde besonders geschätzt, den Kulturtag in einer Kirche abzuschließen, fallweise mit einem gemeinsamen spirituellen Abschluss mit der Gruppe. Die vielen Eindrücke des Tages konnten noch einmal hergeholt werden, an einem Ort der Stille und Besinnung. Bei den Rückmeldungen kamen Worte des Dankes. Linz bekam ein anderes Gesicht und es wurde sehr geschätzt, dass besonders kirchliche Projekte so präsent waren, die sie durch dieses Angebot kennen lernen konnten. Der Großteil der BesucherInnen war sowohl erstmals im Haus der Frau, bei einer Domführung als auch in den Museen. Die Nachfrage nach Folgeprojekte wurde auch mehrmals gestellt. Wir sind überzeugt, es wird auch Projekte nach Linz 09 geben, viele Menschen sind neugierig geworden und wissen, es gibt noch viel zu sehen in Linz, der neue Kirchenführer machte auf die wunderschönen Kirchen im Zentrum von Linz neugierig. Auch die Kunstvermittlerinnen in den Museen zeigten großes Interesse, auch in Zukunft mit uns neue Projekte zu planen.