P. Bernhard Eckerstorfer - Benediktiner des Stiftes Kremsmünster - ist seit 2019 Rektor der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo in Rom. Er nimmt uns in der Serie „Rom entdecken.“ mit auf seine Streifzüge durch die Ewige Stadt.
Babykleidung, Stofftiere, Kinderfotos, Briefe: Was haben all diese Dinge in einer Kirche zu suchen? Ein paar Schritte von der Piazza Navona entfernt, finden sich rund um die Marienstatue „Madonna del Parto“ in Sant’Agostino Votivgaben glücklicher Eltern.
Mir hat ein Römer vor Ort einmal sichtlich berührt geschildert, wie diese Statue den Beinamen „von der Geburt“ erhielt: Ein Mann eilte verzweifelt während der schweren Geburt seines Kindes zu dieser Marienstatue und flehte um Hilfe. Als er zu seiner Frau zurückkehrte, hatte sie das Kind trotz aller Widrigkeiten gesund zur Welt gebracht. Seither pilgern viele schwangere Frauen und Paare zur Madonna mit dem Jesuskind und bitten um eine gute Geburt. Manche kehren zurück, um als Zeichen der Dankbarkeit eine Kerze zu entzünden oder eine symbolische Gabe zu hinterlassen, die das Geschenk des neuen Lebens symbolisiert.
In Rom stößt man auf Schritt und Tritt auf besondere Ausdrucksformen der Frömmigkeit: religiöse Schreine an Häuserfassaden, Prozessionen zu bestimmten Heiligenfesten, die Berührung von Reliquien, Ikonen, Kreuzen und Statuen, verbunden mit einem Kreuzzeichen.
Einmal bin ich zufällig in einer der unzähligen Kirchen der Ewigen Stadt zu einer Eucharistiefeier gekommen. Die innigen Gesänge bewogen mich, hinten stehen zu bleiben.
Am Ende des Gottesdienstes lud der Priester alle Anwesenden dazu ein, bereitstehende Rosen vor eine Statue der Gottesmutter mit dem Jesuskind zu legen. Eine Frau kam mit Rosen in den hinteren Teil der Kirche und bot auch einigen Touristen in kurzen Hosen und mir an, sich in die kleine Versammlung einzureihen und mit einer persönlichen Fürbitte und der Blume nach vorne zu kommen.
Papst Franziskus mahnt immer wieder, die Volksfrömmigkeit nicht gering zu achten; sie ist für ihn auch ein Thema, wenn es darum geht, im Zuge des weltweiten synodalen Weges auf alle Gläubigen zu hören.
In der Theologie wird sie als locus theologicus, als theologischer Ort wiederentdeckt, der helfen kann, den Glauben mit allen Sinnen und facettenreich wahrzunehmen. Die Grundhaltungen römisch-katholischer Frömmigkeit haben dabei weitreichende Wurzeln. Die kulturelle Leistung Roms bestand von Anfang an darin, Strömungen und Gebräuche aus verschiedenen Teilen des Reichs zuzulassen und aufzunehmen.
Die Philosophie kam aus Griechenland, die verschiedenen Religionen aus dem Orient, die tüchtigsten Soldaten aus Afrika und Spanien, später aus Germanien. Cicero gab das bereits vor 2100 Jahren offen zu und strich heraus: „Aber wir übertreffen alle Nationen in der Frömmigkeit (pietas) und in der Religion sowie in der Weisheit, dass durch das Walten der Götter alles geleitet wird.“
Wie es das römische Christentum über die Jahrhunderte verstand, Elemente der Lebenswelt von Menschen aus nah und fern in den religiösen Kosmos aufzunehmen, sehen wir auch hier in der Kirche Sant’Agostino einige Schritte weiter bei der Pilgermadonna von Caravaggio (1605).
Dann vorbei an der Statue des Jesaja von Raffael (1512), der hier mit Intellektuellen seiner Zeit gerne die Gottesdienste besucht hat, stoßen wir am Ende des linken Seitenschiffs auf das Grab der hl. Monika, deren Reliquien 1430 von Ostia in diese Kirche gebracht wurden. Ihre mütterliche Sorge für ihren Sohn Augustinus kann uns vor Augen führen, wie viele Tränen und Gebete Kinder den Eltern auch nach der Geburt abverlangen können. «
mit P. Bernhard Eckerstorfer OSB
Teil 4 von 5
P. Bernhard Eckerstorfer - Benediktiner des Stiftes Kremsmünster - ist seit 2019 Rektor der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo in Rom. Er nimmt uns in der Serie „Rom entdecken.“ mit auf seine Streifzüge durch die Ewige Stadt.