P. Bernhard Eckerstorfer - Benediktiner des Stiftes Kremsmünster - ist seit 2019 Rektor der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo in Rom. Er nimmt uns in der Serie „Rom entdecken.“ mit auf seine Streifzüge durch die Ewige Stadt.
Beruflich oder privat habe ich immer wieder Verabredungen im Zentrum Roms, etwa 30 Gehminuten von unserem benediktinischen Hauptsitz auf dem Aventin entfernt. Als Treffpunkt gebe ich gerne „vor dem Pantheon“ an. Dieser Platz ist für mich wie eine vertraute Person, die man kennt und durch wiederholte Begegnungen immer mehr liebgewinnt.
In Rom macht nie nur ein Element den Reiz eines Platzes oder einer Kirche aus. Es ist meist die Summe vieler Schönheiten. Vor dem Pantheon befindet sich ein Brunnen von Giacomo Della Porta, über dem ein Obelisk aufgerichtet ist. Er ist einer von 14 ägyptischen Obelisken, die während der römischen Herrschaft hierher gebracht und in der Renaissance von den Päpsten wieder aufgestellt wurden.
Der Blick auf meinem Lieblingsplatz richtet sich aber unweigerlich auf den dahinterliegenden merkwürdigen Rundbau: das Pantheon. Von den verschiedenen Aussichtspunkten der Stadt kann die mächtige Kuppel ermessen werden, die sogar etwas größer ist als die des Petersdoms.
Die Proportionen verweisen auf eine universale Bedeutung: Die Kuppel ist eine Halbkugel. Die vollkommene Form der Kugel würde sich haargenau in den Raum des Pantheons einfügen. Der Tempel strahlt Vollkommenheit, Harmonie aus. Das spürt man als Betrachter. Selbst wenn im Laufe der Zeit die Verzierungen innen und außen entfernt wurden, entfaltet der runde Bau eine besondere Faszination. Er zieht Menschen in den Bann, unabhängig von ihrer religiösen Anschauung.
Zur unverwechselbaren Schönheit des Pantheons trägt die Vorderseite mit ihren 18 riesigen monolithischen Säulen aus ägyptischem Granit bei. So atmet das Gebäude und vermittelt Offenheit.
Betritt man das Innere durch die größten erhaltenen Tore des Römischen Reiches, richtet sich der Blick schnell nach oben, auf die im Durchmesser neun Meter große Öffnung. Zu Pfingsten war ich einmal Zeuge, wie es nach der Eucharistiefeier unzählige Rosenblüten von dieser Öffnung herab auf die Gottesdienstbesucher/innen regnete – eine beeindruckende Inszenierung der Herabkunft des Heiligen Geistes.
Das Pantheon fungiert in der Tat auch als Kirche, selbst wenn es dem Gebäude mit der gleichsam kosmischen Ausstrahlung nicht sofort anzusehen ist.
In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts zu Ehren aller Götter errichtet, wurde der heidnische Tempel fünfhundert Jahre später in eine Kirche umgewandelt und Maria und allen Heiligen gewidmet. Das Pantheon ist ein Symbol für die Assimilierungskraft der Stadt Rom: Hier kann vieles nebeneinander stehen und immer neuer Nutzung zugeführt werden.
Eine Tafel mit lateinischer Inschrift aus dem Jahre 1632 bezeichnet am Eingang das Pantheon als „berühmtestes Gebäude des gesamten Erdkreises“. Das römische Pantheon hat für 2.000 Jahre die Architekturgeschichte beeinflusst. Ein herausragendes Beispiel ist das Kapitol in Washington.
Und auch in Paris (1790) findet sich eine Nachbildung des Pantheons, wo Geisteshelden der Aufklärung wie Rousseau und Voltaire bestattet sind. Dort entfaltete sich aber keine religiöse Aura. Das ist im Pantheon Roms anders, wo die römische „pietas“ – Frömmigkeit – über religiöse Grenzen hinweg spürbar ist und Menschen aus aller Welt beeindruckt. «
mit P. Bernhard Eckerstorfer OSB
Teil 2 von 5
P. Bernhard Eckerstorfer - Benediktiner des Stiftes Kremsmünster - ist seit 2019 Rektor der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo in Rom. Er nimmt uns in der Serie „Rom entdecken.“ mit auf seine Streifzüge durch die Ewige Stadt.