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Als Erwachsener hat man vermeintlich stets das gleiche Bild vor Augen: im Bus, im Zug, an der Haltestelle, im Park – überall scheinen junge Menschen immer nur in ihr Handy zu starren und ihre Umgebung gar nicht wahrzunehmen.
Als sich vor gut einem Jahr die soziale Welt völlig verändert hat, die Kontakte von „persönlich“ auf „online“ umgestellt wurden, ging die Erwachsenenwelt davon aus, dass dies vor allem für junge Menschen keine große Umstellung sein würde. Es bestand die Annahme, dass sie sich vielleicht sogar leichter tun würden, den Schulstoff selbstständig über den Computer zu erarbeiten. Auch hinsichtlich ihres sozialen Umgangs glaubte man, dass diese Altersgruppe keiner besonderen Pflege bedürfe. Schließlich – so der Gedanke – spielt sich ihr Leben sowieso immer online ab.
Doch schon sehr bald – von den Medien und der Politik leider erst in den letzten Wochen aufgegriffen – wurde klar, dass sich die jungen Menschen mit der neuen Situation sehr schwer tun. In einer Zeit, in der sie sich eigentlich von ihren Eltern lösen sollten, werden sie mit ihnen auf kleinem Raum eingesperrt. In einer Lebensphase, in der es vor allem die Gleichaltrigen sind, die bei der Sozialisation helfen, ist der Kontakt mit ihnen verboten.
Viele Eltern beschreiben eine ähnliche Beobachtung: Ihre jugendlichen Töchter und Söhne ziehen sich zurück. Ihre Lebenswelt wird immer kleiner, bis sie sich schlussendlich nur noch auf das Bett reduziert. Alles wird nur noch dort erledigt: schlafen, essen, Schularbeiten – leben. Doch auch das Online-Leben wird immer weniger. Es ist zu mühsam, ständig zu schreiben, nie jemanden zu sehen, nie jemanden zu spüren. Als soziale Kontakte wieder etwas mehr erlaubt sind, zeigt sich zudem, dass die Jugendlichen zum Teil soziale Ängste entwickelt haben.
Als Erwachsene müssen wir erkennen, dass die Jugendlichen, wie wir alle, eine direkte soziale Auseinandersetzung in Form eines Gegenübers brauchen. Es gilt, sensibel zu sein und dieses „Gegenüber“ anzubieten. Die sozialen Medien sind ein wichtiger Teil des Lebens dieser Altersgruppe; doch wie so oft im Leben ist die Ausschließlichkeit einer Sache immer ungünstig. Es braucht einen Gegenpol und ein Miteinander in Form eines sozialen Angebots, z. B. durch gemeinsame Unternehmungen. Nur so kann Entwicklung auch in dieser Lebensphase gut gelingen.
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