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Vier Tage im Zeichen des Kampfs gegen den Missbrauch

Weltkirche

Seit dem 24. Februar kann keiner in der katholischen Kirche mehr behaupten, Missbrauch gehe ihn nichts an. Dieses wesentliche Ergebnis des Anti-Missbrauchs-Treffens ist aber vielen viel zu wenig. Geplante Maßnahmen müssen sich erst zeigen.
 

Ausgabe: 9/2019
28.02.2019
- Roland Juchem/Kathpress
Papst Franziskus betonte in seiner Rede den Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und Macht.
Papst Franziskus betonte in seiner Rede den Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und Macht.
© Reuters

Was soll das Ganze bewirken? Anfänglich übergroße Erwartungen an das weltweite Gipfeltreffen zu Missbrauch und Kinderschutz in der katholischen Kirche waren zuletzt arg heruntergeschraubt worden. Das Ziel des Papstes, „nur“ ein gleiches Bewusstsein für den Skandal des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen zu schaffen, stieß bei nicht wenigen auf Empörung. „Das ist ein weltweites Problem! Welchem Bischof muss das noch erklärt werden?“, sagte Denise Buchanan aus Jamaika. Als eine Vertreterin des Netzwerks „Ending Clergy Abuse“ („Missbrauch durch Kleriker beenden“) demonstrierte sie mit bis zu 40 weiteren Betroffenen auf den Plätzen rund um den Vatikan für „Null Toleranz“ in Sachen Missbrauch.

 

Zeugnisse

Seit Donnerstag vergangener Woche sahen dort die 190 Bischöfe und Ordensobere vier Tage lang Zeugnisse von Opfern, lauschten Referaten, berieten in Arbeitsgruppen, bekannten in einem Bußgottesdienst das Versagen der Kirche und hörten eine grundsätzliche Rede des Papstes.
Dass am Sonntagmittag, fast drei Stunden nach Ende des Treffens erst, der Vatikan weitere konkrete Schritte bekanntgab, kam für die Teilnehmer so überraschend wie für die Öffentlichkeit. Erwartet worden waren sie bereits in der Schlussrede des Papstes, Platz darin wäre gewesen. Die Reaktionen von Betroffenen-Verbänden zu Papstrede und angekündigten Maßnahmen zeugen von Enttäuschung.

 

Betroffenheit

Dennoch lassen sich rückblickend vier wesentliche Ergebnisse des Treffens festhalten: Erstens galt es, gemeinsame existenzielle Betroffenheit zu wecken. Nur dann kann der Kampf gegen Missbrauch zu einem „Herzensanliegen“ werden, wie Hans Zollner, Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission, es fordert.
Als am Freitagabend eine rund 50-jährige Frau den Kirchenoberen ausführlich berichtet, wie ein Priester sie als Kind über fünf Jahre hinweg vergewaltigte und sie zu drei Abtreibungen zwang, war dies einer der bedrückendsten Momente des Treffens. 
Ein zweites Element war die wiederholte Forderung, bestehende Regelungen konsequent anzuwenden – inklusive der Verpflichtung, mit staatlichen Stellen zu kooperieren. Wer von den Bischöfen da bisher unsicher war, soll in Kürze einen Leitfaden erhalten, der Schritt für Schritt erläutert, wie bei Missbrauchsverdacht sowie Prävention vorzugehen ist. Kirchliche „Task-Forces“ dazu sind angekündigt, warten dem Vernehmen nach auf die Freigabe von oben.

 

Vorschläge

Weiterreichende Vorschläge umfassen – drittens – die Forderung des deutschen Kardinals Reinhard Marx, das „Päpstliche Geheimnis“ bei Missbrauchsermittlungen nicht mehr gelten zu lassen. Eine Kontrolle von Bischöfen durch Metropolitan-Erzbischöfe oder mit Klerikern und Laien gemischt besetzte Kommissionen sind weitere Vorschläge, ebenso eine radikale Reform der Ausbildung von Priester- und Ordensnachwuchs. Die vielzitierten Begriffe Zölibat und Homosexualität fielen zwar hier und da, waren aber kein bestimmendes Thema. Weder das eine noch das andere stehe in direktem Zusammenhang mit Missbrauch, betonten Teilnehmer des Anti-Missbrauchs-Gipfels.
Viertens sollte das Treffen Mut machen, sich dem Thema zu stellen. Etliche Bischöfe seien wie gelähmt, wenn sie damit konfrontiert werden, sagte Erzbischof Charles Scicluna, der Chefermittler des Papstes für Sexualstraftaten. Hinzu kommen Länder, in denen Behörden das Thema Missbrauch zur Verfolgung der Kirche ausnutzen.

 

Deutliche Kritik

Die Außenwirkung des Treffens indes erlitt einige Stolperer. Ohne sie wäre das Treffen wohl wirksamer und glaubwürdiger gewesen. So durften Opfer-Verbände nur am Rande des Treffens auftreten. Eine kurze persönliche Begegnung mit Franziskus, ein kurzes Statement vor der Vollversammlung hätten Gemüter beruhigt.
Auch hatte Franziskus zu Beginn konkrete Schritte gefordert; in seiner Abschlussrede blieb er im Grundsätzlichen. Die prompte Kritik in etlichen Medien bestätigt den Widerspruch. Die drei Stunden später bekanntgegebenen nächsten Schritte fingen das nur wenig auf (gemeint sind ein Papst-Erlass „zum Schutz von Minderjährigen und schutzbefohlenen Personen“, der erwähnte Leitfaden und die Task Forces“ zur Unterstützung von Bischofskonferenzen).
Was das veränderte Bewusstsein bewirkt, muss sich vor Ort zeigen. „Entscheidend is‘ auf‘m Platz“, heißt es beim Fußball. Die Plätze der Kirche sind die Diözesen, Ordensgemeinschaften, Pfarren, Schulen – und die Kurie selber.
Der angekündigte Papst-Erlass (Motu proprio) etwa ist angeblich seit zwei Jahren so gut wie fertig. Er beinhaltet nichts anderes als jene Richtlinien, die die Bischofskonferenzen weltweit längst haben fertigstellen müssen, dieses Mal für den Vatikanstaat und die Diözese Rom. « 

 

„Qualitätssprung“


Der Kinderschutzgipfel brachte laut Kardinal Christoph Schönborn einen „Qualitätssprung in der Auseinandersetzung mit einem schweren, sehr belastenden Thema“. Das wichtigste Ergebnis sei gewesen, dass es eine „gemeinsame Betroffenheit“ durch das Hören von Opfern gegeben habe. Die Notwendigkeit der „Verbindlichkeit gemeinsamen Handelns“ sei klar geworden. Ruprecht/kathbild.at

 

Während die Bischöfe im Vatikan berieten und einen Bußgottesdienst begingen, machten Opferverbände vor den Toren auf ihre Anliegen aufmerksam.
Während die Bischöfe im Vatikan berieten und einen Bußgottesdienst begingen, machten Opferverbände vor den Toren auf ihre Anliegen aufmerksam.
© Reuters
© kathbild.at / Franz Josef Rupprecht
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Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland, derzeit in Elternkarenz.

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