Wort zum Sonntag
Nicht weniger als „eine Wiedergeburt der Kirche“ haben sich die katholischen Bischöfe in Ungarn vom Auftritt des Papstes in Budapest erhofft. Doch die Worte von Franziskus beim Eucharistischen Weltkongress sind keine bloße Ermutigung nach harten Monaten der Pandemie. Bei seinem siebenstündigen Kurzbesuch am Sonntag belässt es das Kirchenoberhaupt nicht bei diplomatischen Höflichkeitsfloskeln. Bei mehreren Auftritten übt er – mal mehr, mal weniger deutlich – Kritik an Regierung, Kirchenführung und der ungarischen Gesellschaft insgesamt.
Das mit Spannung erwartete halbstündige Treffen mit dem calvinistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und dem katholischen Staatspräsidenten Janos Ader im Museum der Schönen Künste absolvierte Franziskus mit auffällig großzügigem Sicherheitsabstand. Eine Erklärung dürfte die Flüchtlingspolitik der regierenden Fidesz-Partei sein, die so gar nicht dem „geschwisterlichen“ Gesellschaftsbild des Papstes entspricht. Migranten aus muslimischen Ländern sollen nach ihrem Willen möglichst fernbleiben. Der Vatikan indes mahnt die EU-Staaten immer wieder zu Aufnahme und Unterstützung. Pikanterweise befürworten große Teile des ungarischen Klerus u. a. diesen dezidiert konservativen Fidesz-Kurs. Franziskus sprach das Problem in einer Rede vor den ungarischen Bischöfen direkt an. Öffnung, Dialog und mehr Mut zur Veränderung seien das Gebot der Stunde, mahnt er die Geistlichen. Angesichts kultureller, ethnischer, politischer und religiöser Unterschiede gebe es zwei Haltungen: „Entweder verschließen wir uns in einer starren Verteidigung unserer sogenannten Identität, oder wir öffnen uns für die Begegnung mit dem Anderen und kultivieren gemeinsam den Traum einer geschwisterlichen Gesellschaft.“
Und es kam noch mehr Kritik hinzu. Bei einem Gespräch mit jüdischen Vertretern rief der Papst zum Kampf gegen Antisemitismus auf, der „immer noch in Europa schwelt“. Ungarn nannte er in diesem Zusammenhang nicht explizit, aber Gegner des Orban-Lagers werfen diesem immer wieder vor, mit antisemitischen Klischees Wahlkampf zu machen.
Kurz bevor Franziskus am Sonntag in die Slowakei weiterflog (Anm.: Bericht darüber in der nächsten Ausgabe), hatten sich gut 100.000 Gläubige bei Kaiserwetter auf dem Heldenplatz und ringsherum versammelt, um den Abschluss des Eucharistischen Kongresses zu feiern. Doch auch diesmal ging es nicht ohne mahnende Zwischentöne. „Zurschaustellung und Triumphalismus“ seien nicht der Weg zu Gott, sagte der Papst und warnt zu Füßen des Millenniumsdenkmals vor dem „Götzen unseres Ichs“, den es mit Jesu Hilfe zu überwinden gelte. Das Ergebnis könnte tatsächlich „eine Wiedergeburt der Kirche“ sein. Auch wenn sich Ungarns Bischöfe das vermutlich anders vorgestellt haben.
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