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„Es war eigentlich alles soweit vorbereitet“, erzählt Andrea Pinz, die geschäftsführende Leiterin des Interdiözesanen Amtes für Bildung und Erziehung der Bischofskonferenz. „Wir waren als Religionsvertreter gut in der Erstellung des Gesetzesentwurfs eingebunden und konnten unter anderem noch erreichen, dass sich auch Schüler/innen ohne Bekenntnis wie bisher zum Religionsunterricht anmelden können.“ Geplant war eine Umsetzung in der Oberstufe der Allgemeinbildenden Höheren Schulen im Schuljahr 2020/21 und ein Jahr später in den Berufsbildenden Höheren Schulen. „Auch die Ausbildung der Lehrkräfte im aktuellen Studienjahr (2019/20) wurde vorfinanziert und ist in den Pädagogischen Hochschulen auch schon angelaufen“, sagt Pinz. Damit die ersten Lehrer aber im nächsten Schuljahr auch tatsächlich Ethik unterrichten, müsste laut Pinz der entsprechende Gesetzesbeschluss bis spätestens März im Parlament gefasst werden. Nur ist dort vor dem Scheitern der Regierung noch nicht einmal der Entwurf angekommen.
Aus der derzeitigen Expertenregierung heißt es, die Vorbereitungen für den Start des Ethikunterrichts im Regelschulbetrieb laufen weiter (Ausbildung der Lehrkräfte, Lehrplanarbeit, Schulbuch-Erstellung). Ob diese vorübergehende Regierung bzw. das Bildungsministerium allerdings den notwendigen Gesetzesbeschluss auch ins Parlament bringen werde, könne man aus heutiger Sicht noch nicht sagen. Mit anderen Worten: Das Vorhaben ins Parlament zu bringen, könnte Aufgabe der nächsten Bundesregierung werden – sofern diese das auch will.
Das weiß natürlich auch die Initiative „Ethik für alle“, hinter der u. a. die laizistische Gruppe „Religion ist Privatsache“ steht. Sie wollen Ethikunterricht für alle Schüler/innen, also auch für jene, die derzeit den Religionsunterricht besuchen. Ethik sei bei den Religionen „in schlechten Händen“, behaupten sie und werben für ein entsprechendes Volksbegehren.
Entscheidender ist aber die Einstellung der politischen Parteien. ÖVP und FPÖ stehen – wenig verwunderlich – zu ihrem Gesetzesentwurf, also zur verpflichtenden Entscheidung zwischen Ethik oder Religion in der Oberstufe. Die SPÖ und die Liste Jetzt wollen einen Ethikunterricht für alle Schüler, die SPÖ zunächst ab dem Alter von zehn Jahren. Grüne und Neos sind für einen „Ethik- und Religionenunterricht“ (also inklusive Darstellung der verschiedenen Religionen), die Neos sogar schon ab dem ersten Schuljahr. Den Vorschlägen von SPÖ, Neos, Grünen und Jetzt ist gemeinsam, dass sie einerseits mit der zunehmenden gesellschaftlichen und religiösen Vielfalt und den Herausforderungen für das Zusammenleben argumentieren, andererseits auch der religiösen Bildung einen Wert zuerkennen. Konfessioneller Religionsunterricht (also in der je eigenen Religion) würde neben dem neuen verpflichtenden Ethik- und Religionenunterricht angeboten, aber nur als Freifach.
Stellt sich also die Frage, was passiert, wenn die nächste Bundesregierung den liegengebliebenen Gesetzesentwurf (verpflichtende Wahl zwischen Religion und Ethik in der Oberstufe) nicht weiterverfolgt. An sich bliebe zunächst alles beim Alten: Religion wäre weiter ein Pflichtfach, von dem man sich abmelden kann (ab 14 Jahren hat das der Schüler selbst in der Hand). „Wir müssen aber beachten, dass es über 200 Schulversuche mit Ethik in Österreich gibt, die am Auslaufen sind. Um diese zu verlängern, bräuchte es eine entsprechende Entscheidung“, sagt Andrea Pinz. Laut dem Bildungsministerium laufen die Versuche 2024/25 aus. Alles in allem ist Andrea Pinz zuversichtlich, dass der Ethikunterricht letztlich in geplanter Form eingeführt wird. „Die Frage ist nur: in welchem Schuljahr.“
Das hat auch damit zu tun, dass die Variante „Ethik verpflichtend für alle, Religion als Freifach“, die von den bisherigen Oppositionsparteien vertreten wird, nicht so einfach umzusetzen wäre: Es müsste eine Reihe von Gesetzen geändert werden, wobei es im Bereich „Schule und Religion“ laut Verfassung eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zur Änderung bräuchte. Im Fall des katholischen Religionsunterrichts wäre zudem der „Schulvertrag“ zwischen der Republik und dem Heiligen Stuhl zu ändern. Rom müsste dabei zustimmen.
Freilich weiß auch die Kirche in Österreich, dass der Verweis auf einen bald 60 Jahre alten Vertrag allein für die Zukunft nicht reichen wird. „Die demografische Situation seit dieser Zeit hat sich geändert. Wir haben heute 15 Kirchen und Religionsgesellschaften, die schulischen Religionsunterricht anbieten. Dazu kommt eine größere Zahl von Schüler/innen, die ohne Bekenntnis sind. Damit ist auch der organisatorische Aufwand an den Schulen deutlich gestiegen“, sagt Andrea Pinz vom Interdiözesanen Amt für Bildung und Erziehung.
„Wir versuchen daher zusammen mit der evangelischen, der griechisch-orthodoxen und der altkatholischen Kirche sowie den Freikirchen den Religionsunterricht in eine dialogisch-konfessionelle Richtung weiterzuentwickeln.“ Diese Zusammenarbeit sei aber nicht allein der organisatorischen Vereinfachung geschuldet. „Dahinter steht auch die Haltung, das Gemeinsame des christlichen Glaubens zu vermitteln und die Unterschiede der Konfessionen nicht als trennend, sondern sich ergänzend erfahrbar zu machen.“
Die gestiegene Vielfalt der Religionen und Konfessionen sowie die damit verbundene Verkomplizierung zeigt sich auch bei den Schulgottesdiensten. Der Staat hat sich zwar zur Ermöglichung des Besuchs dieser Gottesdienste verpflichtet – freilich zu einer Zeit, in der die allermeisten Schüler katholisch oder evangelisch waren. „Wir sehen derzeit eine Tendenz dazu, multireligiöse Feiern in den Schulen anzubieten“, berichtet Andrea Pinz.
Im Fall von Gottesdiensten am Anfang bzw. Ende des Schuljahres oder zu Erntedank sei das auch möglich. „Uns ist aber wichtig, dass der religiöse Charakter der Feier gewahrt bleibt und daraus nicht ein rein kulturelles oder soziales Event wird“, sagt Pinz. Eine multireligiöse Adventkranzweihe sei aber nicht möglich. Zu Weihnachten und Ostern sei es der katholischen Kirche wichtig, dass die Schüler/innen eine katholische Eucharistiefeier besuchen können. Trotz des gestiegenen Aufwandes gebe es in der Regel keine Probleme bei den Schulgottesdiensten, die von den Schulleitungen durchaus geschätzt würden, sagt Pinz. „Häufig ist aber das, was an den Schulen mit Religion verbunden wird, vor allem die Vielfalt mit ihren Chancen und Herausforderungen.“ «
Zum Thema
32 Religionslehrerinnen und Religionslehrer traten in Oberösterreich mit dem neuen Schuljahr ihren Ruhestand an. 26 von ihnen folgten am 17. September der Einladung von Bischofs Manfred Scheuer und des Schulamtes zu einer gemeinsamen Pensionsantrittsfeier in das Bischofshaus. Scheuer betonte dabei die Bedeutung des Religionsunterrichts für eine humane Gesellschaft und für das friedliches Zusammenleben. Er würdigte die Religionslehrer/innen als Menschen, „die selbst auf festem Grund stehen, Vertrauen vermitteln und Freude am Blühen anderer haben.“ Religionslehrer/innen seien Diener/innen des guten Geschmacks und einer Sinnenfreudigkeit des Lebens. Religionsunterricht stünde für einen „Lebensduft, der Leben verheißt“. Schulamtsdirektor Franz Asanger dankte für das vielfältige Engagement im Religionsunterricht.
Im Schuljahr 2018/19 waren von 955.363 Schüler/innen in öffentlichen und privaten Schulen in Österreich 623.263 (rund 65 Prozent) katholisch, 246.516 (rund 26 Prozent) andergläublich und 85.584 (rund 9 Prozent) ohne religiöses Bekenntnis – wobei letzteres nur bedeutet, dass sie keiner staatlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören.
Von den katholischen Schüler/innen nahmen 91,4 Prozent auch am konfessionellen Religionsunterricht teil – es haben sich also nur 8,6 Prozent abgemeldet. Interessant ist, das 27 Prozent der Schüler/innen ohne religiöses Bekenntnis an einem konfessionellen Religionsunterricht teilnahmen – sich also aktiv dafür angemeldet haben.
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