Wort zum Sonntag
Er war gerade frei, als Patriarch Lois Raphael I. Sako, das Oberhaupt der chaldäischen Kirche mit Sitz in Bagdad, ihn eingeladen hat, in der Stadt Sulaimaniya ein leerstehendes Kloster wieder zu besiedeln. Pater Jens Petzold hatte zuvor im syrischen Kloster Mar Musa, einer Gründung des charismatischen Jesuiten Paolo Dall‘Oglio, gelebt. Petzold, ein Schweizer mit deutschen Wurzeln, musste wegen des Bürgerkriegs Syrien verlassen. Also nahm er 2011 die Einladung des Patriarchen an. Alle frühen Versuche das Kloster als einen Ort des Dialogs inmitten der kurdisch-muslimischen Millionenstadt zu etablieren, wurden bald hinfällig. Tausende Christen, die sich vor der Terrorgruppe IS retten konnten, strömten in die Stadt. Pater Jens hat sein Kloster, auch die Kirche, jahrelang mit vielen von ihnen geteilt und für sie gesorgt. Jetzt, wo sie nach der Niederlage des IS in ihre alte Heimat zurückkehren, kann sich Pater Jens neuen Aufgaben widmen. Er bietet im Kloster nun Sprachkurse an, derzeit beschäftigt er zwanzig Lehrer/innen.
„Will der Irak eine Zukunft haben, braucht es Kommunikation und Beziehung“, ist sein Credo. Die beiden großen Gruppen des Landes, die Kurden im Norden und die Araber im übrigen Land, verstehen einander nicht. Die Sprache ist nicht die einzige Hürde, aber eine bedeutende. Die Stimmung im Nordirak ist schlecht, betont Petzold. Es fehlen Visionen für die Zukunft. Keine gute Voraussetzung, um einen Staat aufzubauen. Für Petzold sind die Sprachkurse ein Baustein, dass Vertrauen zueinander wachsen kann. Bei den Kursen geht es aber nicht nur um Grammatik und Vokabeln. In den Unterrichtsstunden bekommen die Teilnehmer/innen, in der überwiegenden Mehrheit Muslime, auch Sprachwerkzeuge dafür, dass sie Themen wie Menschenrechte und Demokratie benennen können. Das ist besonders wichtig, sagt Pater Jens: Hat doch Sulaimaniya die höchste Selbstmordrate von Frauen im gesamten Mittleren Osten. In der Stadt sind überdurchschnittlich viele Frauen gut ausgebildet, viele von ihnen verzweifeln an der gesellschaftlich zementierten männlichen Dominanz. In allen gesellschaftlichen Fragen muss sich im Land viel bewegen, unterstreicht der Ordensmann und verweist auf den Patriarchen Sako und den für sein Kloster zuständigen Bischof Yousif Thomas Mekis von Kirkuk: „Es geht den beiden nicht darum, für die Christen im Land ein paar Privilegien herauszuholen, sondern sie arbeiten für alle Menschen im Land, unabhängig von Religion und ethnischer Herkunft.“
Beim allem Einsatz für Sprachkurse, Aufbau einer Bibliothek und Kontakt mit dem Islam, bleibt das der Jungfrau Maria geweihte Kloster ein Ort des Gebets, erklärt Pater Jens – gerade im Trubel der Großstadt. Das Gebet gilt auch ihrem 2013 vom IS entführten Ordensgründer Pater Paolo.
Mit Bangen schaut seine kleine Gemeinschaft in diesen Tagen auf die bevorstehende Rückeroberung des letzten IS-Gebietes in Syrien. Man hofft, dass er unter der Handvoll Geiseln sein könnte, die der IS angeblich noch hält. Nach den unzähligen widersprechenden Gerüchten der letzten Jahre über Lebenszeichen und Todesnachrichten, sagt Pater Jens sehr nüchtern: „Wir hoffen.“ Bald weiß man vermutlich mehr.
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