Wort zum Sonntag
Plötzlich keine Gottesdienste mehr, an denen Gläubige teilnehmen dürfen: Das muss wie ein Stich ins Herz eines Liturgiereferenten sein.
Michael Zugmann: Die ersten beiden Sonntage habe ich die Absage der Gottesdienste als Maßnahme empfunden, die der Sicherheit und Gesundheit der Leute geschuldet ist, und ich konnte gut damit leben. Aber als dann klar wurde, dass auch Ostern betroffen ist, haben alle Liturgiereferate Österreichs miteinander das „Netzwerk Gottesdienst“ gegründet. Seither stellen wir Woche für Woche Gottesdienstvorschläge für die Hauskirche an Sonntagen online. Anfangs haben wir zwischen Erwachsenen und Familien mit Kindern unterschieden, jetzt gibt es auch ein eigenes Angebot für Singles und Alleinstehende. Unter der Adresse www.netzwerk-gottesdienst.at führen wir das bis Ende September fort. Wir sind aber auch dankbar, dass die Jungschar und das Linzer Bibelwerk mit den Sonntagsblättern Angebote gesetzt haben. Das Inpuncto, das die KirchenZeitung für die Karwoche gestaltete, war ein Auszug aus diesen „Netzwerk“-Gottesdiensten. Und dann gab es natürlich noch die Gottesdienste in Fernsehen, Radio und im Internet.
Mit Corona war plötzlich jeder und jede Gläubige gefordert, sein bzw. ihr Gottesdienstleben selbst in die Hand zu nehmen. Es schlug „die Stunde der Hauskirche“. Wie haben Sie sie wahrgenommen?
Zugmann: Wir haben wenig direkte Rückmeldungen, wir orten aber nach wie vor Interesse.
Was wäre das Ideal von Hauskirche?
Zugmann: Dass es in den Haushalten eine Sonntagskultur gibt: Nach dem gemeinsamen Frühstück richtet man den Tisch zum gemeinsamen Gebet und man orientiert sich dabei an den Texten des „Netzwerkes Gottesdienst“ oder am Gotteslob. Wir haben uns auf jeden Fall bemüht, die Menschen zum gemeinsamen Beten und Feiern zu ermutigen und auch zum Segnen etwa der Palmbuschen oder der Osterspeisen.
Liturgen reden gerne vom Stundengebet, das nicht nur Sache der Kleriker, sondern aller Christ/innen ist. Wurde das jetzt aufgegriffen?
Zugmann: Die Erfahrung zeigt leider, dass die Tagzeitenliturgie in den meisten Gemeinden nicht beheimatet ist. Da war in den Corona-Monaten nicht die Möglichkeit, das neu anzufangen. Auf das Gotteslob mit den vielen Psalmen und Andachten haben wir aber besonders hingewiesen und das wurde im Behelfsdienst auch verstärkt nachgefragt.
In der Corona-Zeit sind gleichsam von selbst Online-Gottesdienste wie Schwammerl aus dem Boden geschossen. Haben Sie das erwartet?
Zugmann: Nein, eigentlich nicht. Da ist gleichzeitig und völlig unabhängig voneinander in vielen Pfarren etwas entstanden. Und zwar etwas Erfolgreiches. Den Teilnehmern und Teilnehmerinnen an diesen Angeboten hat gefallen, dass sie ihre eigene vertraute Kirche sehen, bekannte Mitfeiernde und die vertrauten Vorsteherinnen und Vorsteher. Das war und ist anziehend. Wenn man die – aufs Gesamte gesehen – sehr attraktiven Gottesdienste in Radio und Fernsehen dazunimmt, sehe ich schon eine Herausforderung, die Leute wieder von der mittelbaren Teilnahme über die Medien zur unmittelbaren Teilnahme in der Kirche zu motivieren. Nicht durch Vorschriften natürlich, sondern dadurch, dass man sich der Konkurrenz stellt und sie als Ansporn sieht.
Eine liturgische Qualitätsoffensive also?
Zugmann: Wir müssen uns die Frage stellen, was ist der Mehrwert eines realen Gottesdienstes im Unterschied zu einem virtuellen. Der Mehrwert besteht darin, dass wir uns als Gemeinde versammeln, um gemeinsam zu beten und zu singen, auf das Wort Gottes zu hören und Eucharistie zu feiern. Das Zweite Vatikanum betont immer wieder die aktive Teilnahme aller Gläubigen an der Liturgie. Eine bewusste Gestaltung der Gottesdienste mit ihren Texten, zeichenhaften Elementen und Musik ist entscheidend. Und auch die Gemeinschaft im Anschluss an den Gottesdienst gehört dazu.
Wo sehen Sie Möglichkeiten, den Mehrwert erleben zu lassen?
Zugmann: Die Corona-Vorschriften sind wichtig im Sinne der Rücksicht und Vorsicht. Aber lassen wir uns nicht den Blick auf das Wesentliche unserer Feiern, die Begegnung mit Gott und den Mitmenschen, verstellen. Reduzieren wir nicht Symbole, suchen wir nach Zeichen, die uns diese Begegnung in unserer jetzigen Situation verdeutlichen. Der Friedensgruß soll nicht entfallen, weil wir uns die Hand nicht reichen können. Ein aufmerksamer Blick und ein Zunicken machen uns unsere Verbundenheit bewusst. Vielleicht ist die Corona-Zeit auch eine heilsame Unterbrechung, nach der wir umso bewusster die Bedeutung der gemeinsamen Feiern und der Zeichen und Symbole erfahren.
Wort zum Sonntag
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