Wort zum Sonntag
Papst Franziskus gibt seiner heurigen Botschaft zum Welttag der Kranken den Titel: „Nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.“ Wie setzen Sie dieses Wort aus der Bibel mit der Krankenpastoral in Beziehung?
Sr. Barbara Lehner: Ich halte das für einen ganz wichtigen Satz. Für seine leiblichen Geschwister ist man bereit etwas zu tun, wenn sie Hilfe brauchen – ohne dass man viel nachdenkt. Das Evangelium weist uns darauf hin, dass wir alle Geschwister, dass alle Menschen Geschwister sind. Dieses Wissen baut auch Hierarchien ab. Wenn ich zum Beispiel unseren Corona-Krisenstab anschaue, da arbeiten alle sehr gleichberechtigt. Ohne viel zu diskutieren nimmt jeder und jede die Aufgaben wahr, die anstehen. Da gibt es kein Herumschieben vom einen zum anderen. Alle packen an, was jetzt in dieser besonderen Zeit zu erledigen ist.
Weiters sagt Papst Franziskus: „Die Krankheit hat immer ein Antlitz.“
Sr. Barbara: Das ist in der Zeit einer Pandemie umso zutreffender. Es geht viel um Zahlen und Statistiken, aber der einzelne Kranke, der einzelne Mensch muss im Mittelpunkt bleiben.
Wie sehr prägt Corona Ihren Alltag?
Sr. Barbara: Sehr, ich werde regelmäßig vom Krankenhaus über die Anzahl der Infizierten informiert. Ich bewundere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Covid-Stationen. Corona spielt aber auch stark in unsere Ordensgemeinschaft herein. Wir gehen im Kloster nur mit Maske. Die Pandemie hat direkte Auswirkungen auf unser Zusammenleben. Wir beten nicht mehr das gesamte Stundengebet gemeinsam, sondern wir treffen uns nur zur Vesper und zur Messe, bei der wir aber nicht singen. Üblicherweise gibt es bei uns im Speisesaal keine feste Sitzordnung. Nun sind aber die Plätze zugeteilt. Oft hat man das Gefühl, man kommt mit den Schwestern gar nicht mehr richtig ins Gespräch. Auch die Rekreation, die gemeinsame freie Zeit, fällt weg. Ebenso darf man die Schwestern auf der Krankenstation nicht besuchen. Ich spüre für mich selbst schon ein gewisses Isoliertsein, gleichzeitig merke ich aber, was für unsere Gemeinschaft wirklich wichtig ist: die Kommunikation und das gemeinsame Tun, zu dem besonders das Chorgebet gehört.
Was fehlt Ihnen in dieser Zeit der verordneten Distanz?
Sr. Barbara: Dem ersten Lockdown konnte ich noch den positiven Gedanken abgewinnen, dass er uns ein wenig aus dem Stress holt. Natürlich war der Ausbruch der Pandemie eine Katastrophe, aber irgendetwas kleines Positives konnte ich doch darin sehen. Dieser Gedanke trägt mich jetzt überhaupt nicht mehr. Seit einem Jahr schon finden die monatlichen Treffen zur Begrüßung der neuen Mitarbeiter nicht mehr statt, auch keine Einführungstage. Das ist gar nicht gut, da fehlt etwas.
Corona ist ja wirklich allgegenwärtig.
Sr. Barbara: Ja, man hat den Eindruck, dass es nichts mehr anderes als Corona gibt. Ich bin aber sehr dafür, dass wir nicht nur über Corona reden. Jetzt ist die Kommunikation ohnedies schon sehr eingeschränkt und dann kommt wieder das Thema Corona auf den Tisch. Da ist jeder und jede von uns gefordert, auch über anderes zu reden. Ich habe den Eindruck: Corona ist nicht nur eine Krankheit, sondern zugleich ein krankmachendes Thema, krankmachend für die Gesellschaft.
Warum?
Sr. Barbara: Corona schleppt so viel Negatives mit und bringt es mitten in die Gesellschaft. Da wird zum Beispiel gegen die Regierung geschimpft: Die einen schimpfen, dass kein Impfstoff da ist, die anderen beschweren sich über einen angeblichen Impfzwang. Wenn Corona gegangen ist, müssen wir darauf achten, dass nicht das negative Klima bleibt. Man spürt viel Spaltung.
Haben Sie einen Vorschlag, wie man aus dieser Negativspirale wieder herauskommt?
Sr. Barbara: Ganz bewusst positiv reden. Alle sind hier gefordert. Das wird Ausdauer brauchen, denn eine deutlich spürbare Erleichterung wird erst im Herbst kommen. Die Spiritualität unserer Ordensgründerin, der heiligen Elisabeth, kann uns hier helfen. Sie hat das Motto „Schau hin und handle“ gelebt. Das kann aktuell heißen: Wenn es gefordert ist, selber rasch zu einem Klima der Freundlichkeit und des Wohlwollens beitragen – dazu kann uns die heilige Elisabeth inspirieren.
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