Wort zum Sonntag
Barbara Krenn, Sie leiten die neue multimediale ORF-Hauptabteilung Religion. Was ist neu daran? Wie arbeiten Sie?
Barbara Krenn: Früher waren Fernsehen, Radio und Online getrennte Redaktionen an drei verschiedenen Standorten. Die Expertinnen und Experten haben relativ unabhängig voneinander gearbeitet. Jetzt sind wir gemeinsam eine Abteilung und versuchen, die verschiedensten Inhalte multimedial zu verknüpfen. Wir haben viele Themen, die sowohl für das Fernsehen als auch für Radio und Online interessant sind. Der Vorteil unserer multimedialen Fachabteilung ist, dass wir gemeinsam an Inhalten arbeiten und sie vielfältig aufbereiten.
Im Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa bringt der ORF die meisten Religionssendungen. Dafür gibt es von manchen Seiten scharfe Kritik, das wäre „Kirchenfunk“. Was sagen Sie dazu?
Krenn: Es steht ganz klar im Rundfunkgesetz, dass es ein Religionsangebot im ORF geben muss und dass wir über alle anerkannten Religions- und Glaubensgemeinschaften unabhängig und wertneutral berichten müssen. Derzeit sind das 16. Das ist die rechtliche Seite. Abgesehen davon interessieren sich nicht nur religiöse Menschen für Religion, Ethik und Sinnangebote. Religion gehört zum gesellschaftlichen Leben.
Kann man über Religion wertneutral berichten?
Krenn: Es ist die Aufgabe des Journalismus, unabhängig zu sein. Ich kann natürlich eine persönliche Haltung haben. Aber wenn ich mit einer „Mission“ an ein Thema herangehe, bin ich falsch im Journalismus. Dann mache ich Marketing, Werbung oder Verkündigung. Bei uns muss das Bestreben sein, über Dinge unabhängig zu berichten.
Welche Stellung haben Sie unter Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen im ORF? Werden Sie ernstgenommen?
Krenn: Für das Religionsangebot im ORF gibt es eine eigene Hauptabteilung – wie auch für den Aktuellen Dienst, die Kultur, den Sport, die Unterhaltung und so weiter. Religion im ORF hat also einen sehr hohen Stellenwert und wird gleich wie andere Themenbereiche des gesellschaftlichen Lebens behandelt.
Wo steht Religion zwischen Politik, Öffentlichkeit und Privatangelegenheit?
Krenn: Religion soll aus meiner Sicht nicht in den Privatbereich abgeschoben werden. Würde man Religion aus dem öffentlichen Bereich verbannen, wäre sie viel anfälliger für Fundamentalismus, weil es keinen Dialog mehr gäbe zwischen staatlichen Institutionen und Religionsgemeinschaften. Der Austausch ist sehr wichtig. Wenn man Religion in die Hinterzimmer verbannt, ist das nicht gut. Religion gehört zum Leben. Das heißt nicht, dass alle religiös sein müssen. Aber Religion ist ein Bestandteil des Lebens und hat eine gesellschaftspolitische Dimension.
Sie sind seit 21 Jahren beim ORF. So lange ist heute kaum jemand im selben Unternehmen. Was lieben Sie am ORF?
Krenn: Ich liebe meinen Job. Die Möglichkeit, sich mit Themen auseinanderzusetzen, immer wieder etwas dazuzulernen, verschiedenste Menschen und Sichtweisen kennenzulernen, kreativ zu sein, gestalten zu können, das ist ein Privileg. Es ist ein toller Job.
Welche Themen werden Sie mit der neuen multimedialen Abteilung im kommenden Jahr setzen?
Krenn: Wir werden selbstverständlich das aktuelle Geschehen im Bereich Religion und Ethik genau verfolgen. In großen Dokumentationen werden wir uns mit dem Atheismus und dem oft genannten Vorurteil „Glaube heißt nichts wissen“ beschäftigen. Ein Themenschwerpunkt wird die Mystik in den verschiedenen Religionen und Traditionen sein. Und wir werden eine Reportage aus dem Vatikan haben und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Papstes einmal in den Blick nehmen. Um nur einige Themen zu nennen.
Die Sendung „FeierAbend“ ist ein Quotenhit der Religionsabteilung. Woran liegt das?
Krenn: Den FeierAbend gibt es 16- mal im Jahr an den gesetzlichen Feiertagen. Es werden Menschen porträtiert, die aus welchem Bereich auch immer einen Bezug zur christlichen Spiritualität haben und die aus ihrer Spiritualität heraus leben und arbeiten. Wir hatten am Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag im Schnitt je über eine Million Zusehende. Zuletzt am 15. August hatte der FeierAbend einen Marktanteil von 33 Prozent – das heißt, jeder Dritte, der in Österreich zu dieser Zeit fernsah, hat sich für den FeierAbend entschieden. Das freut mich natürlich sehr! Es liegt an den Persönlichkeiten, die nicht nur Menschen interessieren, die selbst religiös sind, sondern die authentisch vermitteln, was Spiritualität alles bewirken kann, die Mutmacher sind. Es sind oft Menschen, die man nicht unmittelbar mit Religion in Verbindung bringen würde.
Wer zum Beispiel?
Krenn: Unlängst hatten wir den Schauspieler Peter Simonischek. Oder die Schauspielerin Maria Happel. Ordensfrauen und Ordensmänner haben im FeierAbend auch immer einen wichtigen Platz, weil sie mit ihrer Lebenshaltung oft den „Nerv der Zeit“ treffen. Christlicher Glaube hat ja immer zwei Seiten: Spiritualität und gesellschaftspolitisches Engagement. Engagement allein wäre Aktionismus. Der FeierAbend hat natürlich auch einen sehr prominenten Sendeplatz: zwischen den Hauptnachrichten und dem Hauptabendprogramm um 20.15 Uhr. So einen Sendeplatz für ein Religionsprogramm gibt es wohl nur im ORF.
Wie nähren Sie Ihre persönliche Spiritualität?
Krenn: Von meinen Eltern, in deren Leben der Glaube eine sehr wichtige Rolle spielt, habe ich eine gesunde und positive Einstellung zum Leben mitbekommen. Dafür bin ich sehr dankbar und daraus schöpfe ich wohl am meisten. Dann ist mir die Stille sehr wichtig, gerade weil mein Job teils stressig und sehr kommunikativ ist. Da tauche ich gerne unter. Dazu gehört auch, dass ich draußen in der Natur schwimme. Schwimmen ist für mich wirklich eine Kraftquelle. Ich schwimme gerne lange Strecken im freien Gewässer. Beim Kraulen sind der Rhythmus und der Atem sehr wichtig. Wenn der Atem stimmt, wenn der Rhythmus stimmt, kann man ohne Ende kraulen. Das Schwimmen hat für mich fast meditativen Charakter. Wenn ich müde und ausgelaugt bin und dann schwimmen gehe, bin ich nachher sehr klar, sehr fit. Das ist für mich eine echte Energiequelle. In Wien sind wir mit der Donau gesegnet, ich schwimme meistens im Entlastungsgerinne Neue Donau, weil da keine Boote sind. Österreichweit gesehen ist der Fuschlsee mein Lieblingssee. Er hat so eine helle Farbe und unglaublich schönes Wasser.
Was sind lange Strecken beim Schwimmen?
Krenn: Im freien Gewässer schwimme ich etwa zwei bis vier Kilometer. Ich mache auch gern bei Staffeln mit. Als Kind und Jugendliche war ich Wettkampfschwimmerin, daher kommt die Freundschaft zum Wasser.
Was gibt Ihnen noch Kraft?
Krenn: Der Humor ist für mich ganz wichtig. Und dann natürlich einzelne Menschen, auf die ich mich verlassen kann, wo ich so sein kann, wie ich bin. Und die Kunst. Also Stille, Humor, Schwimmen, Menschen, die geben mir Kraft. Und mein Job, den ich liebe.«
Barbara Krenn (47) leitet die neue multimediale Hauptabteilung „Religion und Ethik“ des ORF. Sie wuchs im steirischen Judenburg auf, studierte Theologie in Graz und Tübingen. Seit 1999 ist sie als Religionsjournalistin im ORF tätig. Viele Jahre gestaltete sie Sendungen wie „Orientierung“, „FeierAbend“ und „kreuz und quer“. 2010 übernahm sie als leitende Redakteurin die Verantwortung für „Religionen der Welt“, „Was ich glaube“ und „FeierAbend“. Zu Beginn des Jahres wurde Krenn mit der interimistischen Leitung der Hauptabteilung Religion im Fernsehen beauftragt. In dieser Funktion war sie auch für die Religionssendungen des ORF während der Corona-Krise verantwortlich. Die Programmangebote der Religionsabteilung erzielten in der Zeit des Shutdown ab Mitte März hohe Reichweiten.
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